Thüringer Relaismöbel - unser Organisationsautomat

Da wir uns nun schon seit längerem auch mit mechanischen Rechnern beschäftigen, fiel uns zunehmend die noch ungefüllte Lücke zwischen dieser Technik und den elektronischen Rechnern der 1970er auf.
Ein Angebot für die Übernahme eines Schreib- oder Organisationsautomaten ließ uns im Sommer 2013 aufhorchen: Es wurde vom Museum für historische Bürotechnik an uns weitergeleitet, da man sich dort aufgrund von Platz- und Logistikproblemen gegen eine Übernahme entschied. Angeboten wurde das Gerät samt Lochbandbeisteller von einem Herrn aus dem thüringischen Eisfeld.


Die Abholung

Aufgrund seines Gewichtes von über 100 kg und der Größe des nicht-zerlegbaren Tisches (120 cm breit) kam nur eine Abholung mit einem Kleintransporter oder einem Anhänger in Frage. Da wir selbst einen Anhänger haben, auf den der Tisch passen würde, entschieden wir uns für diese Variante, packten reichlich Polstermaterial, Spanngurte und eine große Abdeckfolie (für den Fall, dass es regnet) ein und machten uns am Morgen des 11.07.2013 auf den 215 km langen Weg nach Eisfeld.

Auf der Hinfahrt hielten wir kurz beim ehemaligen Funkwerk Kölleda und sprachen mit Leuten der Nachfolgebetriebe zur Geschichte des Werkes, und ob noch irgendwo Technik oder Unterlagen aus DDR-Zeiten überlebt haben.

Gegen Mittag kamen wir in Eisfeld an. Nach einer freundlichen Begrüßung und einer Rostbratwurst zur Stärkung legten wir die Maschine, die sich seit 23 Jahren nicht mehr benutzt worden ist, unter jeder Menge Kisten und Pappen frei. Augenscheinlich war die Maschine bis auf die Schranktüren vollständig, wenn auch teil-demontiert, etwas angerostet und das Holzgehäuse an einigen Stellen angebrochen. Komponenten, wie Lochbandleser, Stanzer, Kabel, Netzteil und der Relaiskasten (Verschlüssler genannt) fanden im PKW auf den Rücksitzen und im Kofferraum Platz. Glücklicherweise passte das Lochbandbeistellschränkchen auch in den Kofferraum. Das Schreibwerk (allein über 30 kg) konnten wir mangels Fachwissen vorort nicht vom Tisch abmontieren und so musste der schwere Tisch zu dritt Stück für Stück aus dem Erdgeschosszimmer ins Freie und auf den Hänger gewuchtet werden. Wie so oft, fehlte es mal wieder an der vierten Ecke am vierten Mann, aber mit Schweiß und Hartnäckigkeit stand die Maschine dann doch irgendwann sicher auf dem Anhänger und konnte verzurrt werden.


Ankunft in Eisfeld

Der OrgAutomat sieht nach langer Zeit wieder Sonnenlicht

Vorsichtig über die Bordsteinkante...

Alles aufgeladen, bereit zur Heimfahrt.

Der Vorbesitzer berichtete, dass er das Gerät Mitte der 1980er Jahre von der Hochschule Jena erworben hatte, um es in einen Drucker für seinen Computer robotron A5105 umzubauen. Wie wir später noch merken sollten, hatte er dazu einige Baugruppen, die für den Druckerbetrieb nicht gebraucht würden, ausgebaut und vermutlich entsorgt. An anderen Baugruppen hatte er Veränderungen vorgenommen, allerdings ohne jegliche Protokollierung und Erinnerung darüber. Die Verfügbarkeit westlicher Rechentechnik ab 1990 führte dann zu einem jähen Abbruch seines Projektes, der Automat wurde in eine Ecke geräumt und fiel Stück für Stück dem Vergessen einher. Da das Gebäude demnächst aus Hochwasserpräventionsgründen abgerissen werden soll, musste auch der Automat weichen und so entschied sich der Besitzer, es einem Museum kostenlos anzubieten, das sich sinnvoll damit beschäftigen möchte. Leider konnten wir mit der Anlage weder schriftliches Material noch fachliches Wissen übernehmen, was die Freude über den Neuzugang aber nicht wesentlich schmälerte.

Wir bedankten uns und reisten mit der schweren Fuhre nach Merseburg, wo das Gerät ähnlich aufwendig und schweißtreibend abgeladen wurde und vorerst im Kellerraum 11, dem ehemaligen Isotopenprüflabor von Professor Winzer, in der Zimmerecke sein neues Domizil bekam.


Forschungen und Ersatzteil-Sammeln

Bislang hatten wir mit dieser Geräteart weder Erfahrungen noch besaßen wir technische Dokumentationen, abgesehen von Kurzbeschreibungen auf Messeprospekten. Auf Anfrage konnten wir Papiere vom Museum für historische Bürotechnik Naunhof und dem Stadtmuseum Sömmerda sowie dem Industriemuseum Chemnitz ausleihen, die wir umgehend digitalisierten und teilweise nachdruckten. Sehr hilfreich sollten auch einige Hefte aus dem Stadtarchiv Erfurt werden, durch deren heimliche Digitalisierung sich allerdings Spannungen mit dem Archivar ergaben.
Unsere Unterlagen waren damit zwar noch nicht komplett, aber mit dem Zusammengetragenen und unserem wachsenden Wissen über die Funktionsweise der Anlage konnten wir nun eine Restauration beginnen.


Das Typenschild auf der Rückseite des Schreibwerks

Bei unserem Gerät handelt es sich um einen Organisationsautomat (damals meist als "OrgAutomat" abgekürzt) Optima 528, entwickelt in Büromaschinenwerk Sömmerda, gebaut im Optima-Werk Erfurt von Mitte der 1960er Jahre bis (in leicht abgewandelter Form) zum Jahr 1982. Zentrum der Maschine ist das elektrische Schreibwerk Typ 529, das auch als normale Büroschreibmaschine genutzt werden kann. Ein oder zwei Lochbandstanzer gestatten, den geschriebenen Text auf Lochband zu speichern, außerdem können damit spezielle Programmlochbänder erstellt werden. Mit ein oder zwei Lochbandlesern können Texte wieder eingelesen und dabei einfache Programme (z.B. Füllen von Tabellen und Erstellen von Serienbriefen) abgearbeitet werden. Das Gerät ist allerdings grundsätzlich nicht in der Lage zu rechnen. Gesteuert wird die ganze Anlage über die Steuertastatur und die Baugruppen "Relaistür" und "Verschlüssler/Entschlüssler", beide auf Basis von Relais und Germaniumdioden aufgebaut.


Die Steuertastatur

Die Relaistür

Über eine Programmkassette (in die inwendig vom Programmierer Drahtbrücken und Dioden gelötet wurden) kann weiterhin eine schreibstellenabhängige Programmierung vorgenommen werden. Zwei mechanische Speicher mit der Kapazität von je 1 Wort und ein Steckfeld zur Einstellung des Datums runden die Technik ab.

Je länger wir lasen, desto mehr zeigte sich, dass bei unserem Gerät weit mehr als nur zwei Schranktüren fehlten. Allem voran eine ganze Menge Verbindungskabel, die zentrale Relaissteuerung und der Eingabespeicher.

In Erfurt, dem Entstehungsort unseres OrgAutomaten, hat leider kein OrgAutomat überlebt (obwohl dort 16 Jahre lang mehrere Typen dieser Büromaschinen gebaut wurden). Das Interesse an dieser Technik und seiner Geschichte scheint dort leider nur minimal zu sein. Auch anderswo haben wir bislang keinen Zugang zu einem Vergleichsgerät gefunden, was die Reparatur leider wesentlich komplizierte.

Im August 2013 ergab sich die Möglichkeit, auf dem Rückweg von der Ostsee in Brandenburg Teile eines typgleichen Automaten zu bergen. Schon ein Jahr zuvor war uns dieses Gerätewrack bei der Bergung eines Computers MRES A5601 und eines Computers A5110 in einer Industriebrache aufgefallen. Aber da dort sämtliche Elektronikkomponenten fehlten und wir damals keine Möglichkeit sahen, es mit unserem damaligen Fahrzeug abzutransportieren, hatten wir es zunächst zurückgelassen. In der Zwischenzeit hatte die Maschine arg gelitten: Jemand hatte die Gehäuseteile aufgebrochen und in einer irrsinnigen Kleinarbeit alle Schaltkontakte vorn am Druckwerk abgeknipst, vermutlich um die 10 Gramm Messing für den Schrotthändler zu gewinnen. Das Gerät war dadurch allerdings schwer beschädigt. Glücklicherweise lagen noch ein paar intakte Kabel herum, außerdem die Abtastleiste der Wagenposition und die Fassung der Programmkassette. Sämtliche mechanischen und elektronischen Komponenten sowie die Schranktüren nahmen wir diesmal mit.

Ein weiterer Zufall auf derselben Reise: Ein ehemaliger Robotron-Techniker aus Alt-Ruppin lud uns ein, um uns eine Schreibmaschine S6001 und Literatur zu vererben. Während des interessanten und langen Gespräches förderte er immer neue interessante Dinge aus den Tiefen seiner Garage zu Tage - unter anderem auch einen der (uns bislang fehlenden) Schaltpläne zum Optima 528 sowie diverse Kleinteile, wie Lämpchen und Antriebsriemen.

Dritter Zufall: Auf Hinweis eines Hobbykollegen aus Remscheid wurden wir auf ein Organisationsautomaten-Wrack im Raum Dresden aufmerksam. In dem stockfinsteren Raum stand dort ein reichlich zerstörter und geplünderter Optima 528. Zunächst konnten bei hochsommerlichen Temperaturen einige Kabel, Lochbandfragmente, die Stromversorgung, Kleinteile und zwei Schranktüren geborgen werden. Außerdem fand sich dort ein arg ramponiertes Ding namens "Relaistür" - ein Elektronikrahmen, der für die Funktion der Maschine ganz wichtig ist und dessen Fehlen wir an unserer Maschine anfangs gar nicht bemerkt hatten.
Beim zweiten Besuch wurden das Schreibwerk (der Schreibwagen fehlte leider bereits), zwei Schranktüren, die restlichen Kabel, der Netzfilter (der als brikettförmiger Klotz im Netzkabel hängt) und Kleinteile (wie Beschläge und die kleinen Holzwinkel, die die Elektronikkomponenten im Schrank an ihrem Platz halten) geborgen. Im Nebenzimmer fanden sich noch Lochbandfragmente. Ob diese wieder zu einem lesbaren Band werden und vielleicht wichtige Informationen enthalten, muss noch erforscht werden.

Beginn der Reparaturen

Unsere erste Arbeit im September 2014 war, für die Anlage ein Rollbrett anzufertigen, um dem 3-Zentner-Koloss im Fundus des Chemiemuseums eine gewisse Mobilität und allseitige Zugänglichkeit zu verleihen. In der Zimmerecke, wo die Anlage nun stand, konnte sie aus Platzgründen nicht gut repariert werden, so rollten wir sie jedesmal in den Flur, der einzigen Stelle im Gebäude, wo wir nicht von umgebenden Exponaten eingekeilt waren.


Der Transport der Anlage bleibt mühsam.

Fehlersuche an der Anlage

Die ersten Restaurierungsarbeiten an unserer Maschine waren Reinigungsarbeiten. Die Maschine war innerlich wie äußerlich saudreckig, das Holzfurnier hatte stellenweise sehr gelitten. Komponenten, deren Position bekannt war, wurden nach der Reinigung wieder montiert, der Tisch geschrubbt und intensiv mit Politur eingerieben. Risse in den Gehäusewänden wurden geklebt, verbogene Teile gerichtet, Kabel sortiert und inventarisiert. Im Beistellschrank fand sich im Auffangkasten für das Lochbandkonfetti nicht nur ein riesiger Berg dieses Kampfstoffes, sondern auch die zwei vermissten Leiterplatten aus dem Verschlüssler.


Gerissene Gehäuseplatte

Mit vielen Leimzwingen wird das Holz repariert

Ursprünglicher Zustand des unteren Tischkastens

Dieselbe Stelle nach der Restaurierung.

Beim Versuch, die Verkabelung wiederherzustellen, stellten wir fest, dass die Stecker zwar ursprünglich durch Abziehbilder markiert, diese aber altersbedingt teilweise abgefallen oder unleserlich waren. Hier kamen uns die Leute vom Museum Sömmerda zu Hilfe, die uns die Steckerbelegung von ihrem OrgAutomat abschrieben. Damit konnten die Kabelverbindungen nun wiederhergestellt werden, die, asiatischen Baumwurzeln nicht unähnlich, seltsam organisch im Gehäuse umher quollen. Erst durch Nutzung der Kabelhalteklemmen kam langsam wieder Ordnung in das Chaos. Auch die neue Relaistür konnte jetzt montiert werden.


Frühe Arbeiten an der Anlage unter beengten Bedingungen.

In den Flur umgezogen, geht die Reparatur einfacher

Korkenzieherartig verdrehte Kabel

Reinigungsarbeiten an der Anlage

Im Oktober 2013 wurden Netzteil und Netzfilter geprüft und vorsichtig wieder an Strom gewöhnt. Das Netzteil, das von einem schweren Eisenkerntrafo dominiert wird, besitzt zum Glück keine Stabilisierungselektronik. Damit beschränkten sich die Reparaturen daran auf den Austausch einiger Sicherungen.


Das Netzteil

Rückseite des Netzteils

Messungen am Netzteil



Es macht "Klick!"

Zu fortgeschrittener Stunde gaben wir irgendwann der Versuchung nach, den Rest des Systems anzuschließen und den Hauptschalter zu betätigen. Statt der befürchteten Funken und Rauch zog ein Schaltschütz lautstark an und eine grüne Lampe leuchtete auf der Tastatur. Auch das Ausschalten funktionierte zuverlässig. Hurra!
Aber sollte sich nicht auch im Druckwerk irgendwas anfangen zu bewegen? Des Rätsels Lösung: ein falsch gestecktes und ein fehlendes Kabel. Danach setzte sich der Antriebsmotor in Bewegung und man konnte erste Tasten drücken, die auch die Schreibfunktion auslösten. Leider zeigte sich hier aber auch: viele Funktionen waren noch gestört, u.a. die Leertaste, der Zeilenvorschub, Wagenrücklauf, Umschaltung Groß-/Kleinbuchstaben. Messungen in der Bedienkonsole brachten 14 defekte Lämpchen und einen gebrochenen Schalter zutage, die wir dann nach und nach ersetzten.

Nachdem die Maschine nun grundlegend anläuft, prüften wir nochmals alle Kabelverbindungen. Auf der Relaistür fand sich ein Fehler in Form zweier vertauschter Relais. Da auf dem Rahmen Relais mit 24V, 48V und 60V Betriebsspannung recht wild verteilt sind, half hier nur intensives Studium der mittlerweile zum Glück vorhandenen Dokumentation.

Ein Rückschlag ereilte uns aber doch: Keine unserer neuen Schranktüren passt mechanisch. Obwohl die Geräte auf den ersten Blick baugleich waren, besitzt unser Gerät kleinere Türen als die Geräte aus Brandenburg und Sachsen. Ein Blick ins Druckwerk und auf die Seriennummer offenbart einen großen zeitlichen Abstand. Unser Gerät ist mit Baujahr 1966 ein recht alter Vertreter seiner Art und heute von allen noch existierenden OrgAutomaten das älteste Exemplar. Wahrscheinlich wurde die Zählung der Seriennummern bei 10.000 begonnen, damit wäre unser OrgAutomat also das 196ste Gerät, das hergestellt wurde. Spätere Forschungen ergaben, dass das Gerät ursprünglich andere Peripherie besaß und irgendwann später modernisiert wurde.


Arbeit am und im offenen Herzen: das Schreibwerk

Die komplexeste Komponente der Anlage ist das elektromechanische Schreibwerk 529 vom Büromaschinenwerk Sömmerda. Es wird von einem permanent laufenden, zentralen Elektromotor angetrieben, der u.a. für Wagenlauf, Typenanschlag, Groß/Klein-Umschaltung und Farbbandtransport zuständig ist. Mit den Tasten verbundene Schaltkontakte lösen externe elektronische Vorgänge aus, ein Heer an Elektromagneten kann jede Taste auch elektronisch ferngesteuert drücken. Über einen Abtastkamm an der Wagenrückseite kann die Anlage ermitteln, an welcher Stelle der Druckwagen gerade steht und dann Schreibstellen-abhängig Funktionen auslösen.


Tastatur des Schreibwerkes

Typenkorb

Der Motor und der beeindruckende Kabelbaum

Die Schreibstellen-Erkennung

Klauenkupplung

Antriebszahnriemen

Kontaktsatz (oben)

Auslösemagnete und Anschlussstecker

Ein Zahnriemen lärmte zunächst ungeheuer, was daran lag, dass sein ehemals elastischer Polyurethankörper nach jedem Zahn gebrochen war und nur noch vom Stahlseilskelett zusammengehalten wurde. Da passende Neuware nicht mehr beschaffbar ist, ersetzten wir den Riemen durch einen gleichalten, aber weniger beschädigten. Irgendwann werden wir für den aber auch eine Ablösung finden müssen.

Die Reparatur eines geplatzten Kondensators und eines verbogenen Kontaktes brachten noch nicht den Durchbruch. Nach ewigem Suchen und Messen entdeckten wir einen grüner Draht in der Elektrik des Schreibwerks, den der Vorbesitzer im Rahmen seines Umbaus dort eingelötet hatte, natürlich undokumentiert. Kaum war er ab, reagierte die Leertaste. Zeilenvorschub und Wagenrücklauf scheiterten aber noch an einem beschädigten Kontakt. Mit Zange und Sandpapier wurde das behoben und seitdem funktionieren auch diese Dinge wieder. Als hilfreich für die Reparatur erwies sich, dass man das Druckwerk auch im hochgeklappten Zustand (Es gibt dazu extra eine Stützeinrichtung) betreiben kann.


Hochgeklapptes Schreibwerk

Schnell wurden wir auf einen merkwürdigen Effekt aufmerksam: Nach jedem Wagenrücklauf klemmte der Druckwagen mechanisch fest. Als Ursache ermittelten wir die Randautomatik: Das Schreibwerk besitzt zwei per Tastendruck verschiebbare Randsteine, die den Druckwagen eigentlich umlenken sollen. Stattdessen überfuhr unser Druckwagen aufgrund abgenutztem Stahls die Steine einfach und verhakte sich dahinter. Einen zu langen Stahl zu kürzen ist einfach, aber wie verlängert man einen zu kurzen Stahl? In unserem Fall half es, alle Schrauben zu lockern und die Teile vorgespannt unter Ausnutzung der Bohrungstoleranzen wieder fest zu machen.


Reparaturarbeiten am Schreibwerk

Irgendwas stimmt an der Steuerelektronik noch nicht.

Schreibwerk von innen

Wieder zusammengebaut: das fertige Schreibwerk

Große Schwierigkeiten hatten wir mit der Umschaltung zwischen Groß- und Kleinbuchstaben. Als Ursache vermuten wir verharzte Mechanik, der wir mit Lösungsmittel und Öl zu Leibe rückten, wobei wir immer wieder Rückschläge erlebten. Per Tastendruck brauchte das Gerät immer einige Versuche, bis die Umschaltung ausgelöst wird, per Fernsteuerung (Lochband) funktionierte die Umschaltung zunächst gar nicht.

Die mechanische Umschaltung der Groß/Kleinschreibung war noch relativ einfach in den Griff zu kriegen. Richtig schwierig wurde es bei der programmgesteuerten Umschaltung: Dazu gibt es im Schreibwerk zwei Elektromagneten, die bei den entsprechenden Programmbefehlen Strom bekommen, sich aber zunächst fälschlicherweise trotzdem nicht rührten. Erstes Problem war, dass die Halterung der Elektromagneten (ein ziemlich mickrig dimensioniertes Blech) verbogen war und deswegen Spule und Spulenkern nicht fluchteten. Dabei stellen wir fest, dass die Innengewinde dieses Blechs herausgefetzt waren, offenbar als Folge eines harten Aufschlags. Wir bohrten die Löcher auf und setzten Schrauben und Muttern ein. Das Geradebiegen des Blechs wollte trotzdem nicht gelingen mangels Vorlage, wie das Blech überhaupt aussehen sollte. Nachdem die Spulen wieder in Position waren, gaben beide kurz nacheinander den Geist auf. Bei der einen Spule stellte sich heraus, dass der Spulenkörper innen gebrochen und der Draht dort zerstört (weil eingeklemmt?) war. Also wickelten wir die Spule ab (4000 Windungen), klebten den Spulenkörper, flickten den Draht und wickelten ihn wieder drauf. Die zweite Spule hatte außen eine mechanische Beschädigung durch das Gewinde einer zu tief eingeschraubten Schraube. Auch sie ist inzwischen repariert. Trotzdem klemmten die Magneten in Originalstellung weiterhin.
Durch den Einsatz von vielen Unterlegscheiben haben wir sie letztendlich in eine arbeitsfähige Stellung gebracht.

Zwischenzeitlich waren die Elektromagneten der Tastenauslösung immer mal wieder festgeharzt, was anscheinend dadurch gefördert wurde, dass wir die Lager mit minderwertigem Öl (WD40) geschmiert hatten. Ein mehrstündiges Bad des Magnetträgers in einem Eimer mit Waschbenzin und nachfolgendes Schmieren mit einem guten Öl besserte die Lage.


Kaputter Spulenkörper

Wiederaufwickeln des Spulendrahtes

Bad des Magnetträgers in Benzin

Ende 2014 wurde der Wagenrücklauf immer träger. Das Problem konnte vorerst durch Nachstellung der Kupplung behoben werden. Ob der Erfolg von Dauer ist, wird sich noch zeigen, es kann auch sein, dass sich der Kupplungsbelag allmählich auflöst, was bei solchen Polyurethangummis leider recht häufig ist.

Die Probleme mit der Großkleinumschaltung führten 2015 zu einer ziemlich weiten Zerlegung des Schreibwerks, dem Nachstellen und Nachbiegen der Mechaniken und einem erneuten Schmieren der Lager. Seitdem scheint die ferngesteuerte Großkleinumschaltung stabil zu laufen.

Ein schwieriges Problem blieben die beiden Zahnriemen, für die es anscheinend weltweit keinen neuen Ersatz (¼ Zoll Teilung) mehr gibt. Dass die alten Zahnriemen brechen werden, ist leider nur eine Frage der Zeit.

Aber zunächst ist das Schreibwerk komplett nutzbar. Mit seiner maximalen Geschwindigkeit von 20 Zeichen pro Sekunde und dem leichten Tastenanschlag ist es ein beeindruckendes Beispiel der Ingenieurskunst vergangener Zeiten.


Datum-Automatik

Die Maschine besitzt eine Datumstaste, bei deren Anschlag das aktuelle Datum gedruckt werden sollte. Da ein Datumsdruck in der Praxis häufig vorkommt, sollen auf diese Weise Tastenanschläge eingespart und Schreibfehler vermieden werden. Voraussetzung ist, dass am Tagesanfang das aktuelle Datum mithilfe einer Stecktafel "programmiert" wird.


Datum-Programmiereinrichtung

Bei unserer Maschine passierte beim Druck der Datumstaste zunächst gar nichts. Also mussten wir erst einmal lernen, wie diese Funktion arbeitet: Im Schreibwerk befindet sich ein Sequenzer (genannt "Datumsmühle"), der per Elektromagnet in den permanent laufenden Antrieb eingekuppelt werden kann, während seiner Drehung einige Impulse per Nockenschalter in Richtung Elektronik abgibt und dann wieder ausgekuppelt wird. Die Impulse werden in der Relaiszentrale verarbeitet, mit dem "programmierten" Datum verknüpft und führen zu einer Ansteuerung der Schreibwerksmagneten, wodurch die entsprechenden Ziffern- und Punkttasten ausgelöst werden.

Erstes technisches Probleme bei unserer Maschine waren hier korrodierte Nockenschalterkontakte im Sequenzer. Nach deren Überarbeitung klickerten immerhin schon mal die Relais, aber es wurde nur 1 Ziffer gedruckt. Es stellte sich heraus, dass die Zugstangen, die die Elektromagneten des Schreibwerks mit den Tasten verbinden, aufgrund alten Fetts total festgeharzt waren. Mit Lösungsmittel, Öl und endlosem Wackeln an den Teilen wurde die Mechanik wieder gangbar gemacht. Danach sausten die Typenhebel beim Datumsdruck schon mal los, aber der Vorgang ging in eine Endlosschleife. Nach längerem erfolglosen Suchen fanden wir heraus, dass der (zu diesem Zeitpunkt noch nicht angekabelte) Eingabespeicher eine zwingende Voraussetzung für den Datumsdruck ist.

Einige Rückschläge hatten wir, da der Hersteller an mehreren Stellen vergessen hatte, Drähte anzulöten, die daraufhin immer wieder zu irgendwelchen Wackelkontakten führten. Außerdem stellten sich einige Relais auf der Relaistür als unzuverlässig heraus. Nachdem es uns gelungen war, Ende 2014 in größerer Stückzahl Ersatzteile zu beschaffen, konnten wir die defekten Relais ersetzen. Die gleichen Relais werden auch vom Eingabespeicher benutzt, machten also zunächst auch dort Ärger.


Eingabespeicher

Der Eingabespeicher ist eine gehäuselose Baugruppe, die im Beistellschrank des OrgAutomaten versteckt ist. Er beinhaltet zwei mechanische Speicherwerke für je eine 11-stellige Zahl. Sinn der Baugruppe ist es, eingetippte Zahlen zwischenzuspeichern, damit sie danach automatisiert rechtsbündig in eine Tabelle gedruckt werden können.


Eingabespeicher

Eingabespeicher, Seitenansicht

Jedes Speicherwerk besteht aus einem verschiebbaren Schlitten, auf dem sich eine Stellstückmatrix befindet. Über zehn Elektromagnete wird die aktuelle Ziffer eingeschrieben, indem jeweils 1 Stellstück hoch gedrückt wird. Danach ruckt der Schlitten federgetrieben eine Dezimalstelle weiter. Nach Eingabe der letzten Ziffer und dem Drücken der Starttaste steuert die Anlage einen Elektromagnet an, der federgespannte Abtastkämme gegen die Stellstücke fahren lässt: je nachdem, welche Ziffer gespeichert ist, unterschiedlich tief. Diese Position wird über Stromschienen abgenommen und kann im OrgAutomaten verarbeitet - sprich gedruckt - werden. Danach erfolgt über einen Elektromagnet ein "Reset": Ein Motor läuft an, eine Kupplung wird freigegeben und Hebel ziehen erst die Abtastkämme aus den Schlitten heraus und dann die Schlitten in ihre Ausgangsposition zurück, wobei die Stellstücke zurückgesetzt werden. Feine Technik!


Auslösemagnete

Stellstückmatrix

Der Eingabespeicher fehlte zunächst völlig an unserer Anlage. Über Ebay konnten wir diese extrem seltene Baugruppe irgendwann von einem Verkäufer erwerben, von dem wir bereits vorher Komponenten für unsere Rechneranlage R4201 und die Magnettrommelgeräte gekauft hatten. Der neue Speicher war zunächst stark korrodiert und an den Abtastkämmen waren die meisten Nieten weggebrochen. Mit Bürste, Kriechöl, Sandpapier und Schräubchen konnte aber auch diese Komponente wieder reanimiert werden.


Kontaktnieten, ursprünglicher Zustand

Kontaktnieten, repariert

Ausprobieren der restaurierten Baugruppe

Im Sommer 2014 ist es uns endlich gelungen, den Speicher in Betrieb zu nehmen, korrodierte Kontakte und ein festgerosteter Magnet erwiesen sich noch als Hemmnisse. Voraussetzung für die Nutzung des Speichers ist das Vorhandensein eines entsprechenden Programms in Form Programmkassette, deren Funktionen wir mangels Dokumentation aber erst sehr spät verstanden.

Im Nachgang gab's nochmal Probleme mit einem der Speicher (Auslassen mancher Ziffern), begründet in Kontaktschwierigkeiten der Auslese-Elektrik. Durch vorsichtiges Verschieben der Kontaktkämme konnte Anfang 2015 eine Stellung gefunden werden, in der alle Ziffern sicher kommen.


Erster Lochbandstanzer

Zu unserem Organisationsautomaten gehören zwei Lochbandstanzer Soemtron 470, die zum Speichern des geschriebenen Textes sowie zum Erstellen von Programmbändern dienen. Die beiden Stanzer stecken im Beistellschränkchen und sind von oben durch die aufklappbare Tischplatte bedienbar.

Wir begannen zunächst mit der Reinigung der Gehäuse. Die vernickelten Metallteile hatten leider Flugrost angesetzt, den wir mühsam mit ganz feinen Bürsten wieder entfernten. Ein blindes Einschalten des Geräts trauen wir uns nicht und das war auch gut so.


Stanzer (links) im ursprünglichen Zustand.
Rechts daneben der bereits gereinigte Leser.

Wir öffneten den Stanzer und es zeigte sich, dass Motor und Getriebe festgeharzt waren. Die Lager der Wellen sind mit Ölnippeln ausgestattet, die nach der langen Zeit trocken waren. Mit Lösungsmittel, Öl und vorsichtiger Krafteinwirkung wurden die Mechaniken allmählich wieder gangbar.

Als nächstes konnte der Motor ausprobiert werden. Der drehte an, lief zwar etwas laut, aber zunächst nicht verdächtig. Eine Minute später machte er mit Qualm, massiver Hitze und einem köchelnden Geräusch deutlich, dass etwas nicht stimmte. Schnelle Abkühlung mit großen Ventilatoren verhinderte zum Glück einen bleibenden Schaden. Die Problemursache wurde nach einiger Zeit gefunden: die Motoren sind zwischen 220V und 125V umschaltbar, wobei aber nicht ersichtlich ist, wie man das macht und was die aktuelle Einstellung ist. Tatsächlich sind unsere Motoren auf 125V eingestellt und werden im Normalfall aus einem Abgriff des OrgAutomaten-Netztrafos gespeist. Für die Inbetriebnahme hatten wir sie fälschlicherweise mit der doppelten Spannung am 230V-Netz betrieben. Wieder eine Erkenntnis mehr...
Temporäre Lösung dieses Problems für die Dauer der Reparatur war, jeweils zwei Geräte nebeneinander zu stellen und ihre Motoren in Reihe zu schalten.


Innenansicht des Stanzers

Innenansicht des Stanzers

Als nächstes kamen die Schaltkontakte des Stanzers dran, die meisten davon werden per Nockenwelle bedient und waren aufgrund von Korrosion völlig Strom-undurchgängig. Mit feinem Sandpapier und winzigen Lichtbögen machten wir sie allmählich wieder funktionsfähig.

Als kniffliges Problem stellte sich die Klauenkupplung heraus. Sie trennt im Ruhezustand den permanent laufenden Motor von der Stanz-Kurbelwelle. Per Elektromagnet kann eingekuppelt werden, die Kurbelwelle läuft eine halbe Umdrehung und sollte sich dann wieder auskuppeln. Letzteres machte sie aber nicht und die Klaue ratterte stattdessen über die Zähne des Kupplungszahnrades. Später stellte sich heraus, dass der Fehler nur auftritt, wenn man (wie wir) den Motor langsam mit der Hand dreht und dass es im Echtbetrieb unter Ausnutzung eines Trägheitseffektes funktioniert, was wir aber ohne ein funktionsfähiges Vergleichsgerät damals nicht wissen konnten...


Klauenkupplung

Der Lochbandtransport wollte zunächst nicht recht funktionieren: die Transportzähne rutschten aus der Perforierung des Lochbandes heraus, was am verbogenen Chassis aufgrund eines vermutlichen Sturzes in der Vergangenheit lag. Das Richten des Chassis stellte sich als problematisch heraus, da es aus Alu-Guss besteht und die Gefahr bestand, dass es bei Hammerschlägen bricht. Durch ausdauerndes, vorsichtiges Hämmern ist es letztendlich ohne Zerstörung wieder halbwegs in Form gekommen.

Der Konfettikanal, der die Lochbandabfälle vom Stanzwerk nach oben und dann über einen Schlauch in den Abfallbehälter leiten sollte, war leider (wohl in Folge eines Sturzes in der Vergangenheit) zerbrochen. Da die Kunststoff-Splitter nicht mehr vorhanden sind, verzichteten wir darauf, den Kanal zu reparieren und haben ihn zunächst durch einen aus einem anderen Stanzer ersetzt. Ein halbes Jahr später haben wir dann ein loses Einzelteil als Ersatz bekommen.


Zerbrochener Konfettikanal

So sollte der Konfettikanal eigentlich aussehen

Das (vermutlich durch denselben Sturz) gebrochene Gussteil, auf dem die Lochband-Aufwickelachse sitzt, ersetzten wir durch eins aus einem anderen Gerät. Inzwischen haben wir es von einer Spezialfirma schweißen lassen, was nicht ganz einfach war (da es aus brennbarer Aluminium-Magnesium-Legierung besteht).


Stanzer 1 und Stanzer 2 während der Reparatur im Dauertest

Ende 2014 machte der Stanzer erneut Probleme: irgendwann merkten wir, dass sein Motor nicht mehr drehte. Ursache war letztendlich ein festgeharztes Lager. Leider hat der Hersteller keine Sicherungen vor die Motoren geschaltet, somit kann eine Blockierung der permanent laufenden Motoren leicht zum Durchbrennen der Wicklung führen. Mit frischem Öl konnten wir das Lager wieder gangbar machen.

Ein Problem besteht noch: die Stanznadel für die Transportspur arbeitet nicht immer sauber und so haftet das Stanzkonfetti teilweise noch am Streifen. In der DDR hätte man in dieser Situation die Stanznadel ersetzt, was mangels Ersatzteil für uns nicht möglich ist. Bislang haben wir noch keine gute Lösung für dieses Problem.

Zweiter Lochbandstanzer

Dieses Gerät hatte ähnliche Probleme wie der erste Lochbandstanzer: Flugrost, verharzter Antrieb, korrodierte Kontakte und die wunderliche Klauenkupplung. Immerhin war das Chassis hier nicht verbogen und es waren auch keine Teile gebrochen.


Der Stanzblock mit den Stößeln

Paritätslogik

Die Stanzer nach der Reparatur wieder im Beistelltisch vereint

Eine erwähnenswerte Komponente der Stanzer ist die mechanische Paritätslogik: Mit 16 Umschaltern, die durch die Stanzmagneten betätigt werden, kann entweder das Paritätsbit von 7 Datenbits berechnet oder die Parität von 8 Datenbits geprüft werden.

Unser OrgAutomat hatte ursprünglich keine Möglichkeit, die Motoren der Stanzer auszuschalten, die Motoren erzeugten also permanent Wärme, Stromverbrauch, Geräusch und Verschleiß. Jüngere OrgAutomaten besaßen dafür von Haus aus eine Abschalttaste, unserer aber noch nicht. Also rüsteten wir Anfang 2015 ein Relais im Verschlüssler nach, dass bei gesperrter Stanzfunktion die Motoren abschaltet.

Seit unseren Reparaturen ist dieser Stanzer wieder voll einsatzbereit.


Erster Lochbandleser

Die zu unserem Organisationsautomat gehörigen Lochbandleser Soemtron 472 dienen dem Auslesen von auf Lochband gespeicherten Texten (zum Zwecke des Nachdrucks) und dem Einlesen von Steuerprogrammen. Beide Leser sind im rechten Tischkasten des OrgAutomaten untergebracht und nach Herausziehen des Schubkastens bedienbar.

Mechanisch sind sie ähnlich wie die Stanzer aufgebaut: mit einem permanent laufenden Antriebsmotor, der über eine per Elektromagnet auslösbare Klauenkupplung eine Nockenwelle antreibt. Diese hebt 8 Stiftchen an, die das Vorhandensein der Löcher im Lochband abfühlen und ggf. Schaltkontakte schließen.
Die Motoren der Lochbandleser müssen, genau wie die der Stanzer, mit 125V~ betrieben werden.


Reinigungsarbeiten am Gehäuse des Lochbandlesers

Zunächst waren wieder äußerliche Arbeiten zu verrichten: das Gehäuse war dreckig und die vernickelten Metallteile hatten Flugrost angesetzt. Mit Reinigungsmilch und feinen Stahlhaarbürsten konnten wir diese Probleme recht gut lösen.


Antrieb mit Klauenkupplung

Nockenwelle, Kontakte und Gradskala

Lochband-Abfühlnadeln

Die acht Bitkontakte

Seit dem Abschmieren aller Lager bewegt sich auch die Mechanik wieder. Sie ist zum Glück weniger kompliziert als die der Lochbandstanzer.

Hauptproblem waren wieder die Elektrokontakte, von denen aus Korrosionsgründen kaum einer mehr funktionierte. Mit feinem Sandpapier und Ohmmeter haben wir die Kontakte wieder stromdurchgängig gemacht, anschließend mit einem Mikro-Lichtbogen die Kontakt-Oberflächen sauber gebrannt.


Schick sieht er wieder aus...

...Leser 1 nach der Restaurierung

Eine schwierige Baustelle bestand noch in der Ansteuerung des Lesers in der Zentraleinheit: Da zu unserem Orgautomat ehemals ein anderer Lesertyp gehörte, fehlte im Anschluss die Netzspannung für den Motor. Durch Nachrüsten eines Relais im Verschlüssler und Nutzung freier Adern in den Kabeln konnte Anfang 2015 auch dieser Leserkanal nutzbar gemacht werden.

Ende 2014 zeichneten sich Leseprobleme mit diesem Lochbandleser ab: irrte sich immer häufiger bei den Zeichen. Ein halbes Jahr später beseitigten wir die Leseprobleme durch vorsichtiges Nachjustieren der Bitkontakte.


Zweiter Lochbandleser

Auch hier mussten Gehäuse und Metallteile nach altbewährter Art zunächst von Schmutz und Rost beseitigt werden. Trotz dem Abschmieren aller Lager bewegte sich die Mechanik kein Stück: der Motor war völlig festgeharzt. Da half nur, den Motor auszubauen und zu zerlegen und mit Kriechöl und mäßiger Gewalt das betreffende Lager wieder gangbar zu machen.


Rostige Außenteile des Lesers, ursprünglicher Zustand

Restaurierte Nickel-Oberfläche

Es zeigte sich, dass der Leser zwei Jahre jünger ist als der Rest der Anlage, was auf eine Umrüstung in der Frühzeit der Anlage hin deutet.
Nachdem die Mechanik wieder beweglich war, liefen beide Leser nebeneinander stundenlang Probe.


Demontierter Antriebsmotor

Beide Leser nebeneinander beim Dauertest.

Eine filigrane Reparatur blieb noch: die abgebrochenen (und leider nicht mehr vorhandenen) Außenkanten der Lochbandrollen. Mit Heißkleber konnten wir die Fehlstellen nachmodellieren und anschließend auf Form schneiden.

Nach noch einigen Fehlschlägen und beharrlicher Neueinstellung der Mechanik sowie mehrfachem Reinigen der Kontakte funktioniert auch dieser Leser nun.


Verschlüssler und Entschlüssler

Aufgabe des Verschlüsslers/Entschlüsslers ist die Codierung der Zeichen zur Ausgabe auf die Lochbandstanzer und die Decodierung der Zeichen nach dem Lesen durch die Lochbandleser. Nachdem Stanzer und Leser repariert waren, rückte diese Baugruppe in unseren Fokus.


Verschlüssler/Entschlüssler

Eine der Verschlüssler-Leiterplatten

Die als erstes zu klärende Frage war, welche Kodierungsart unser Orgautomat eigentlich macht. Beim Vergleich zwischen gedrückten Tasten und ausgestanzten Zeichen stellten wir fest, dass der R300-Code unseren erstellten Lochbändern am nächsten kam, aber so richtig passte der auch nicht. Was schlichtweg daran lag, dass einige Zeichen falsch gestanzt wurden, außerdem blockierte die Anlage beim Stanzen bestimmter Zeichen.

Im Verschlüssler sind mittels dreier Diodensteckkarten für jedes Zeichen die zu stanzenden Bits festgelegt. Anhand der Lage der Dioden wurde es klar: das soll R300-Code sein, was wir bestätigt bekamen, als wir einige Zeit später eine entsprechende Stempelung auf den Leiterplatten entdeckten.

Der erste Fehler war leicht zu finden: eine Diode war vom Hersteller an einer Seite nicht eingelötet worden. Erstaunlich, dass dieses Problem anscheinend nie im produktiven Einsatz aufgefallen war.
Einige Germaniumdioden waren in Durchlassrichtung hochohmig geworden: ein Fehler, der bei bestimmten Diodenchargen offenbar häufig auftritt, wie wir am Lochbandgerät der Ascota170-Buchungsmaschine schon leidvoll feststellen mussten. Diese Dioden mussten wir ersetzen, wobei sich herausstellte, dass Germaniumdioden allgemein zwar leicht zu beschaffen sind, aber die meisten für diesen Zweck nicht nutzbar sind, da sie nicht die notwendige Spannungsfestigkeit (80V) haben. Letztendlich konnten wir aber doch ein paar der seltenen GA103 ergattern. Seitdem passen die gestanzten Zeichen zu den gedrückten Tasten.

Blieb noch das Problem mit dem Aufhängen der Anlage nach dem Stanzen bestimmter Zeichen. Nach längerem Suchen und Baugruppen-Tauschen konnten wir das Problem auf 1 Steckeinheit eingrenzen und diese Baugruppe dann Bauteil für Bauteil durchmessen. Die Steckeinheit enthielt einige Germaniumtransistoren (es sind die einzigen Transistoren in dieser Anlage und in unserem Schaltplan leider gar nicht eingezeichnet). Von denen war einer defekt, was zur Folge hatte, dass ein Flipflop nicht zurück kippte und die Anlage ewig auf die Beendigung bestimmter Stanzvorgänge wartete. Einen passenden Transistor zu finden war zum Glück nicht schwer und so ist auch dieses Problem gelöst.


Reparatur am OrgAutomat

Reparatur am OrgAutomat

Hurra, Stanzer funktioniert!

Seitdem stanzt die Anlage korrekt auf beiden Stanzern und wir konnten die ersten Test-Lochbänder erstellen, die Voraussetzung für die nachfolgende Inbetriebnahme der Lochbandleser. Mit der Verfügbarkeit der Lochbandleser beginnt die Anlage, richtig Spaß zu machen: mit maschinengewehr-ähnlichen Geräuschen hämmert sie nun mit dem Schreibwerk die auf Lochband abgelegten Texte heraus. Mit seiner Geschwindigkeit von 10 Zeichen pro Sekunde und den schnellen Bewegungen im Schreibwerk ist das richtig beeindruckend.

Leider wollte zunächst nur der zweite Lochbandleseranschluss arbeiten. Es sieht so aus, als war unsere Anlage ursprünglich mit einem Stanzlese-Kombigerät Soemtron 471 ausgerüstet und dieses hat andere Anschlüsse als unsere getrennten Stanzer und Leser. Irgendwann später wurde die Anlage mehr oder weniger umgerüstet auf zwei Stanzer und (wahrscheinlich nur) einen Leser. Mangels originalem Soemtron 471 blieb uns nichts anders übrig, als ein Relais in den Verschlüssler einzubauen, das nun die Zuschaltung der Motorspannung für den zweiten Leser übernimmt.

Ein weiteres Relais haben wir nachgerüstet, um die Motoren der Stanzer abschalten zu können. Damit wollen wir Strom sparen, die Anlage leiser machen und den Verschleiß der Stanzer mindern. Bei jüngeren Maschinen war diese Funktion übrigens von Haus aus eingebaut.


Programmkassette

Außer über Programmlochbänder lässt sich der Organisationsautomat auch über einen Steckklotz steuern: Diese Programmkassette wird auf eine Fassung aufgesetzt und beinhaltet normalerweise ein oder zwei Programme in Form gelöteter Drähte und Dioden. Am Druckwagen ist für jeden Zeichenposition ein Elektrokontakt angebracht, von denen immer einer stromleitend ist. Dieser Strom geht in die Programmkassette und löst dort abhängig von deren Programmierung die für die aktuelle Zeichenposition auszuführenden Befehle aus. Eine vernünftige Programmierung in der Programmkassette ist u.a. Voraussetzung für die Nutzung des Eingabespeichers.


Programmkassette, Anschlussseite

Programmkassette, Rückseite

Gelötetes Programm zum Prüfen der Speicher

Wir besaßen zunächst nur zwei leere Programmklötze, aber keinen programmierten. Und auch leider keine Programmierungsanleitung. Irgendwann hatten wir eine erste programmierte Kassette bekommen, die beinhaltet aber leider nur ein ganz primitives Programm und benutzt gerade mal drei der knapp 30 möglichen Funktionen.
Ein halbes Jahr später waren wir dann durch Probieren, den Vergleich mit anderen Programmkassetten und durch Auswerten historischer Notizen in der Lage, Programme selber zu löten, was wir zum Aufbau eines Demonstrationsprogramms nutzten, mit dem wir nun das Verhalten des Tabulators und der Eingabespeicher zeigen können. Für richtig große Programme fehlen uns zunächst die dafür notwendigen vielen Programmstifte.


Umzug

Mit dem Jahreswechsel 2013/2014 begann der Aufbau des Rechenwerk Halle als langfristige Alternative für unseren bisherigen Standort im Chemiemuseum Merseburg. Im April 2014 haben wir dann den OrgAutomat auch ins neue Quartier umgezogen, wofür er nochmals auf dem Anhänger Platz nehmen musste. Dabei zeigte sich, dass er keinesfalls leichter geworden war. Ganz im Gegenteil: denn diesmal hatten wir nicht wieder alle Komponenten für den Transport ausgebaut.


Passt gerade so durch die Tür: Abtransport der Anlage

Ankunft der Anlage in Halle

Die Reparaturarbeiten an der Anlage gingen anschließend im Rechenwerk Halle weiter, wo die Anlage nun ausgestellt ist.


Aktueller Stand (Anfang 2015)




Reparaturen an der Relaistür im Museum

Reparaturen am Schreibwerk im Museum



Links

Rechenwerk Halle
Deutsches Chemiemuseum Merseburg
Museum für historische Bürotechnik Naunhof
Historisch Technisches Museum Sömmerda
Industriemuseum Chemnitz


Letzte Änderung dieser Seite: 09.05.2023Herkunft: www.robotrontechnik.de