Computerserie ZRA

(ZRA=Zeiss Rechenautomat)


Computer ZRA1

ZRA 1, ZRA-1

Der ZRA1 war der Nachfolger des OPREMA und wurde ebenfalls von Carl Zeiss entwickelt (Jena, Herbert Kortum und Wilhelm Kämmerer) und von 1956 bis 1964 in Saalfeld in einer Stückzahl von 32 Exemplaren gebaut.
Wie sein Vorgänger war das Gerät für den Einsatzzweck "Wissenschaftlich-technisches Rechnen" (und nicht "Verarbeitung von Massendaten") konzipiert und verfügte daher nur über eine sehr sparsame Peripherie, dafür aber ein hochentwickeltes und (für damalige Zeiten) recht schnelles (150-180 Operationen pro Sekunde, also das 1,5-fache des OPREMA) Rechenwerk.

Der Rechner war auf drei Schränke verteilt, von denen einer nur die Stromversorgung enthielt. Ein Tisch nahm die Bedienkonsole auf, daneben standen ein Lochkartengerät (bei dem die Lochungen zeilenweise statt wie üblich spaltenweise gemacht wurden) für die Dateneingabe und ein Drucker für die Datenausgabe.


Computer ZRA1.
links der Drucker, rechts der Lochkartenleser

Computer ZRA1


Arbeit am ZRA1

Es musste also ein rein elektronischer Rechner werden, Relais als Basis schieden von vornherein aus, Röhren und Transistoren aus verschiedenen Gründen ebenfalls. So kam man letztlich zu einem ganz anderen Grundbaustein, nämlich zum keramischen Ferritring. Solche erschienen damals (winzig klein und zu einer Matrix zusammengefädelt) zunehmend in Speichern verschiedener Rechnertypen und galten als unverwüstlich. Ihre wichtigste Materialeigenschaft war eine ausgeprägte magnetische Hysterese.

Aus solchen Ringen ließen sich Schaltungen für logische Grundoperationen wie AND, OR, NOT und somit auch alle Rechenoperationen zusammenbauen. Dazu genügte allerdings nicht ein einzelner Draht, sondern bedurfte mehrere Wicklungen je Ring, daher musste der Ring etwas größer sein: im ZRA1 5 mm Durchmesser mit 6 Wicklungen. Die gesamte Rechenlogik (8500 Ferritkerne) nahm fast einen ganzen der drei Schränke ein. Ein zweiter Schrank enthielt die Magnettrommel mitsamt der zugehörigen Ansteuerung, der dritte u.a. ca. 770 Elektronenröhren, zumeist Endpentoden PL84, die zwar nicht direkt zur Logik gehören, aber die zum 0<==>1 - Umklappen notwendigen Impulse liefern.


Röhrenschrank des ZRA1

Röhrenschrank, von der Seite gesehen

Mit 12 KW Anschlussleistung am 220V-Netz gehörte der ZRA1 nicht gerade zu den Stromsparern.


Der Speicher

Der ZRA1 war einer der ersten Computer mit echter Von-Neumann-Architektur. Das Programm musste also nicht gesteckt werden, sondern befand sich, wie die zu verarbeitende Information, in einem Speicher bzw. wurde vorher von einem externen Datenträger dorthin gebracht. Beim ZRA1 diente als Hauptspeicher eine mit 12000 U/min (=200 U/s) laufende Magnettrommel, gegliedert in 128 Spuren zu 32 Sektoren, wovon jeder ein 48 Bit (6 Bytes) langes Maschinenwort trug. Dazu wurde die in Dresden entwickelte Magnettrommel des Rechners D2 benutzt.
Zusammen sind das nach heutiger Zählung 24 KByte (Der Begriff Byte war damals noch nicht bekannt).


ZRA-Trommelspeicher

Zusätzlich zum Hauptspeicher hatte der ZRA1 einen Schnellspeicher aus acht Ferritkern-basierten Zellen von ebenfalls je 48 Bit Länge, die bei Rechenoperationen den Verkehr zwischen Hauptspeicher und Rechenwerk vermittelten und auch als Indexregister dienen konnten. Weiterhin gab es noch einige Hilfsregister, die die durch die Trommelrotation bewirkten Wartezeiten etwas mildern konnten.


Software und Programmierung

Wie alle Computer jener Zeit hatte auch der ZRA1 seinen eigenen Programmierstil. Auf den ersten Blick wirkt er recht kompliziert, bei näherer Betrachtung erkennt man aber einen deutlichen Trend zu Ordnung und Systematik. So erfolgten Ein- und Ausgaben normalerweise dezimal, gerechnet wurde immer dual. Das Maschinenwort war stets 48 Bits (=12 Tetraden) lang, unabhängig vom Inhalt. Es gab nur sechs Wortarten:

Das Befehlswort war in Abschnitte geteilt: Rechen-, Transport-, Test- und Adressteil. Diese Angaben standen auch in der Kopfzeile das Programmierformulars, ihre Mnemonics waren in der gedruckten Anleitung erklärt, wobei derselbe Buchstabe leider in verschiedenen Spalten als Mnemonik benutzt wurde. Die richtige Mnemonik in eine falsche Spalte einzutragen, wird wohl zu den häufigsten Fehlerquellen gehört haben. Die Mnemonik war ein Mix von Buchstaben, Ziffern und Sonderzeichen und noch nicht zur Eingabe in den Computer geeignet. Arbeitsgänge:
  1. Anhand einer ebenfalls gedruckt vorliegenden Tabelle wurde die endgültige Codezeile in Form einer 14stelligen Hexzahl erzeugt, sie enthielt 2 Stellen Angaben zum Wort und danach das Wort selbst.
  2. Jeweils bis zu 12 solche Zeilen waren auf Karten zu stanzen. Standardmäßig hat eine Lochkarte 80 Spalten und 12 Zeilen und wurde spaltenweise gelocht. Zum ZRA1 gab es einen speziellen Locher namens TETRALO, der hingegen zeilenweise lochte.


Kartenlocher TETRALO

Später gab es zur Vereinfachung einen ALGOL-Compiler, ein fast vollständiges ALGOL 60, lediglich die im Standard stiefmütterlich behandelte I/O war durch eine der spartanischen Hardware angepasste Lösung ersetzt. Natürlich war die Bedienung durch die zwei Lochkartenstapel mit den beiden Compilerphasen etwas aufwändig und der kleine Speicher reichte nur für wenige Dutzend Anweisungen.


Verbreitung

Die ZRA1 wurden in der Industrie (7 Geräte), an Forschungsinstituten (15 Geräte) und an Hochschulen (10 Geräte) eingesetzt, vorwiegend im Bereich Wissenschaft. Ökonomische Aufgaben mit sehr vielen Daten waren mit dem ZRA1 hingegen kaum zu machen. Ein Exemplar des ZRA1 wurde im Rechenzentrum der Bauakademie in Berlin eingesetzt zur Berechnung des künftigen Baubedarfs.

Spätestens mit Verfügbarkeit des Rechners R300 verloren die ZRA1 rapide an Bedeutung und wurden meist Ende der 1960er Jahre durch neuere Rechner abgelöst.

Vom ZRA existiert heute noch 1 Exemplar in Fragmenten in den Technischen Sammlungen Dresden, eine Wieder-Inbetriebnahme ist unwahrscheinlich.


Computer ZRA2

ZRA 2, ZRA-2

Im Jahr 1966 wurde bei Zeiss mit der Entwicklung des Nachfolgers des ZRA1 begonnen: Er basierte auf Germaniumtransistoren und erreichte gegenüber dem ZRA1 die 100-fache Rechengeschwindigkeit (Taktfrequenz 100 kHz). 1968 wurden die Arbeiten am ZRA2 zugunsten des Rechners R100 eingestellt.

Das ZfK Rossendorf berichtete 1979 über die Außerbetriebnahme ihres ZRA2-Rechners. Ob es sich dabei um das Zeiss-Gerät handelte oder ob es dort ein namensgleiches Gerät anderer Herkunft gab, konnte noch nicht ermittelt werden.

Vermutlich hat vom ZRA2 nichts bis heute überlebt.


Letzte Änderung dieser Seite: 02.01.2025Herkunft: www.robotrontechnik.de