Die Koppelbausteine des SEG für den Anschluss an Mikrorechner

Das Bildungswesen der DDR hatte einen Schwerpunkt in der Vermittlung von praktischen Kenntnissen bereits in den allgemeinbildenden Schulen. Besonderes Augenmerk wurde hier auf eine berufsvorbereitende Einführung in viele produktionspraktische Techniken, die so genannte Polytechnik, gelegt. Dieses Novum in der Ausbildung aller Schichten der Bevölkerung beseitigte den Mangel, vor allem der in den vergangenen Zeitepochen vernachlässigten umfassenden und auf wissenschaftlicher Grundlage basierenden Ausbildung von Kindern der ärmeren Bevölkerungsschichten, wie Arbeitern oder Landarbeitern. Große Erfolge und wichtige Erfahrungen auf diesem Gebiet wurden durch die Sowjetunion, die dieses Bildungsmodell ab 1922 vorbereitete und ab 1938 auch in den allgemeinbildenden Schulen konsequent anwendete, erzielt. Leider fehlt in der Bundesrepublik bis heute ein entsprechendes Bildungsmodell. Ausdruck des polytechnischen Unterrichts an den zehnklassigen allgemeinbildenden Polytechnischen Oberschulen (POS) der DDR bildete in den unteren Klassenstufen das Fach "Werken" und in den Klassenstufen 7 bis 10 das Fach "Einführung in die sozialistische Produktion" (ESP), sowie ab 1988 der "Grundkurs Informatik". In den berufsbildenden Schulen der DDR wurde ab 1986 das Fach "Grundlagen der Automatisierung" eingeführt, um die Lehrlinge mit elementaren Kenntnissen über informationsverarbeitende Prozesse mit Computern vertraut zu machen. Darüber hinaus gab es so genannte Polytechnische Zentren, die meist an eine Einrichtung gebunden waren.


verbindliche Lehrpläne, Unterrichtshilfen
sowie Stoff- und Programmsammlungen

Schulbücher für das Fach ESP der Klassenstufen 7 bis 10


Hierbei hatte sich die praktische Stoffvermittlung u.a. in Form von Schülerexperimenten bewährt. Diesem Zweck diente seit Jahren das "Schülerexperimentiergerät Elektrotechnik / Elektronik / Automatisierungstechnik" (SEG E/E/A, im Folgenden SEG), das vom VEB Kombinat Polytechnik und Präzisionsgeräte Karl-Marx-Stadt produziert wurde. Das SEG war modular aufgebaut und setzte sich aus einer Vielzahl von Einzelbausteinen mit elektrotechnischen Grundfunktionen (Schalter, Taster, Lampe, Motor, Potentiometer, usw.), erweiterten Funktionen (7-Segment-Anzeige, Sensortaster, Transistor, Verstärker, Schwellwertschalter, Logikfunktionen, usw.) oder komplexen Funktionen (NC-Maschinenmodell, Gewächshausmodell, Spannungskonstanthalter, usw.) zusammen.


Bildungsliteratur nicht nur für die Schüler, auch die Lehrer mussten dazulernen

Die Bauteile hatten ein einheitliches Äußeres und konnten in ein Gestell eingehängt und mittels Laborleitungen ("Bananenstecker") beliebig zusammengeschaltet werden. Somit war ein nahezu unbegrenzter Aufbau von Schaltungsmöglichkeiten gegeben, der bis zur Darstellung von geschlossenen automatischen Steuerungen reichte.

Im Jahr 1988, entsprechend der Einführung des "Grundkurs Informatik", wurden die Bausteine des SEG durch einige spezielle Ausführungen erweitert, die an Mikrorechner angeschlossen werden konnten.




Versuchsaufbau mit den SEG-Bausteinen am robotron A5105 (BIC)

Diese Koppelbausteine wurden zur Ansteuerung von Prozessperipherie durch die Kleincomputer robotron KC85/1, robotron KC87, sowie KC85/2-4 und den Bildungscomputer robotron A5105 in der Pädagogischen Hochschule Güstrow entwickelt und durch das Polytechnische Zentrum des VEB Kabelwerk Köpenick (KWK) technologisch aufbereitet und zur Produktionsreife geführt. Außer den KWK-Koppelbausteinen wurde noch eine zweite Reihe produziert, die sich ebenfalls optisch und schaltungstechnisch in das SEG einfügt und prinzipiell den gleichen Aufbau wie die KWK-Reihe hat. Diese Koppelbausteinreihe hatten die Kurzbezeichnung MPM und wiesen eine etwas höhere Qualität der Verarbeitung auf. Es ist anzunehmen, dass diese Reihe vom VEB Mikroelektronik "Wilhelm Pieck" Mühlhausen (Kombinats-interne Abkürzung "MPM") produziert wurde.


Übersicht über die Koppelbausteine

Funktion MPM-NummerKWK-Nummer
PIO- bzw. DIO-Anschluss zum Rechner MPM 100 KWK 101
Verstärker-Baustein MPM 101 KWK 102
ADU-Baustein MPM 102 KWK 103
DAU-Baustein mit Verstärker und Anschluss zum Rechner MPM 103 KWK 104
Motorbaustein mit Gabelkoppler MPM 104 KWK 105
PIO-Tester-Baustein MPM 105 nicht vorhanden


Aufbau der Koppelbausteine

Die Oberseite der Bausteine bestand aus einer Kunststoffplatte von etwa 7cm x 10 cm. Auf dieser Platte war das Schaltsymbol und die Bezeichnung des Bauteiles aufgedruckt. Weiterhin befanden sich auf ihr die Durchbrüche für die Steckbuchsen der Laborleitungen sowie für eventuell vorhandene Kontrolllampen (LED).

An dieser Kunststoffplatte waren meist vier Schrauben angebracht, die etwa 2 cm unterhalb der Deckplatte die eigentliche Leiterplatte hielten. Auf dieser Leiterplatte waren die funktionsbestimmenden Elemente der Koppelbausteine und die Verbindungen zu den Laborleitungen angebracht.

Zum Schutz wurde an der Leiterplatte, also an der Unterseite der Bausteine, eine Abdeckung aus Kunststoff angeschraubt, die das ganze Innenleben mehr oder weniger gut vor dem rauen Schulalltag schützte.


Technische Beschreibung der einzelnen Bausteine

Adapter-Baustein KWK 101 bzw. MPM 100

Abmessungen: KWK101 und MPM100: Länge 104 mm, Breite 73 mm, Höhe 30 mm


Modul KWK101

Modul KWK101

Modul MPM100

Die Kopplung des Adapter-Bausteines an den Computer wurde über die am Baustein befindliche 12adrige Leitung mittels Systemstecker vorgenommen. Die Bausteine KWK101 und MPM100 wiesen einen ähnlichen Aufbau auf, wobei zwei verschiedene Steckverbinder (für das Digital-In/Out-Modul M001 der Kleincomputer KC84/2-4 ein direkter Flachsteckverbinder, für den PIO-Port des robotron KC85/1, KC87 und A5105 ein 15-poliger EFS-Verbinder) verwendet wurden.

Die Kopplung der Experimentiertechnik vom SEG bzw. weiterer Koppelbausteine an den Adapterbaustein wurde über Steckbuchsen realisiert. Die Diodeneinbaubuchse in der Mitte des Adapter-Bausteines war für die Verbindung mit dem NC-Maschinenmodell aus dem SEG vorgesehen.


Steckverbinder des Adapterbausteines an den robotron A5105,
robotron KC85/1 und robotron KC87 (links) und KC85/2-4 (rechts)

Funktion des Adapter-Bausteines

Das Wesentliche der PIO-Adaption bestand darin, die drei möglichen Zustände des PIO-IC (H, L und hochohmig) in zwei Zustände (H oder L) zu formen. Zu diesem Zweck war jede der Steckbuchsen 0 bis 7 am Adapter-Baustein über einen Schichtwiderstand (R=22 kΩ) an + 5 V geschaltet. Damit wurde erreicht, dass bei hochohmigem PIO-IC am den Steckbuchsen 0 bis 7 ein definierter H-Pegel anliegt.


Zwei-Kanal-Verstärker-Baustein KWK 102 bzw. MPM 101

AbmessungenKWK 102Länge 104 mm, Breite 73 mm, Höhe 30 mm

MPM 101Länge 104 mm, Breite 73 mm, Höhe: 50 mm
Der Verstärker-Baustein hatte die Funktion eines Schaltverstärkers. Er wandelte die vom Computer über den Adapter-Baustein kommenden Steuersignale (Steckbuchsen E1 und E2) in Stellsignale (Steckbuchsen A1 und A2) um. Die Bausteine KWK102 und MPM101 wiesen einen unterschiedlichen Aufbau auf.


Modul KWK102

Modul KWK102

Modul MPM101

Als Schaltelemente der einzelnen Kanäle dienten beim KWK102 zwei optoelektronische Koppler (MB101) aus der Produktion des VEB Werk für Fernsehelektronik Berlin mit jeweils einem nachgeschaltetem NF-Leistungsverstärker A3020H aus dem VEB Halbleiterwerk Frankfurt (Oder), während beim MPM101 zwei Kleinrelais (RGI) aus dem "VEB Relaistechnik Großbreitenbach" Verwendung fanden. Dadurch ergaben sich folgende Unterschiede bei der Benutzung der Bausteine:
Der Baustein KWK102 war nur funktionsfähig, wenn ihm zwei unterschiedliche Spannungen zugeführt wurden: Beim Baustein MWM101 war nur der Anschluss von Ust= + 12 V von einer Fremdspannungsquelle notwendig. Diese Fremdspannung wurde gleichzeitig bei beiden Varianten zur Erzeugung der Stellsignale genutzt.

Folgende Stellsignale waren möglich, wenn
a) der Verbraucher (z.B. Glühlampe) zwischen je einem Ausgang (Steckbuchse A1 oder A2) und Masse von Ust geschaltet ist

E1E2A1A2Wirkung
L-PegelL-PegelU ca. 0 V U ca. 0 V Lampen leuchten nicht
H-PegelL-PegelU ca. 12 VU ca. 0 V Lampe 1 leuchtet
L-PegelH-PegelU ca. 0 V U ca. 12 V Lampe 2 leuchtet
H-PegelH-PegelU ca. 12 VU ca. 12 V Lampen 1 und 2 leuchten

b) der Verbraucher (z.B. Motor) zwischen Ausgängen A1 und A2 geschaltet ist

E1E2A1A2Wirkung
L-PegelL-PegelU ca. 0 V U ca. 0 V Motor dreht nicht
H-PegelL-PegelU ca. 12 V U ca. 0 V Motor dreht rechts
L-PegelH-PegelU ca. 0 V U ca. 12 V Motor dreht links

Es war darauf zu achten, dass zwischen den Steckbuchsen A1 und Masse, A2 und Masse sowie zwischen A1 und A2 untereinander kein Kurzschluss entsteht, da dies u.U. die Zerstörung des Bauteiles zur Folge hätte. Weiterhin war beim Baustein KWK102 darauf zu achten, dass bei der geforderten Steuerspannung von + 12 V Gleichspannung die Gesamtstromstärke von I = 0,4 A nicht überschritten wird, da sonst die thermische Belastung des Bausteins zu groß wurde.


Analog / Digital-Umsetzer-Baustein KWK 103 bzw. MPM 102

Abmessungen: KWK103 und MPM102: Länge 104 mm, Breite 73 mm, Höhe 30 mm

Der vorliegende Analog/Digital-Umsetzer-Baustein wandelte analoge Eingangsspannungen von 0 V bis 0,9 V in definierte Ausgangspegel um. Das funktionsbestimmende Bauelement der Bausteine KWK103 und MPM 102 war der 3-digit-Digital/Analog-Wandler-Schaltkreis C520 aus dem VEB Halbleiterwerk Frankfurt (Oder).


Modul KWK103

Modul KWK103

Modul MPM102

Der Baustein KWK103 besaß zusätzlich noch einen eingebauten regelbaren Spannungsteiler, der durch eine kleine Bohrung in der Deckplatte zu erreichen war.

Steckbuchse 0 LSD (Digit Wertigkeit 100)
Steckbuchse 1 NSD (Digit Wertigkeit 101)
Steckbuchse 2 BCD-Datenausgang (Wertigkeit 20)
Steckbuchse 3 BCD-Datenausgang (Wertigkeit 21)
Steckbuchse 4 BCD-Datenausgang (Wertigkeit 22)
Steckbuchse 5 BCD-Datenausgang (Wertigkeit 23)

Anwendungsbeispiel

Die Bausteine KWK103 und MPM 102 waren z.B. mit einem Temperatursensor (Heißleiter 150 kΩ bei 20 °C) zur Darstellung eines Regelkreises zur Temperatursteuerung einsetzbar. Diese Steuerung konnte durch ein Rechnerprogramm realisiert werden, beispielsweise war es ein Bestandteil der im Januar 1989 ausgegebenen Disketten für das Unterrichtsfach ESP für den Bildungscomputer robotron A5105. Nach dem Zusammenschalten der vom Programm geforderten Bauteile für eine "Temperatursteuerung in einem Gewächshaus" und nach Eingabe der Solltemperatur regelte das Programm automatisch die Temperatur auf den eingestellten Wert und gab die Mess- und Schaltwerte in Form eines Diagramms auf dem Bildschirm in Echtzeit aus.


das "Gewächshaus" (Baustein 53 des SEG).

das "Gewächshaus" (Baustein 53 des SEG).

Im Inneren zu erkennen: unten zwei Widerstände als zweistufige Heizung mit dahinterliegender LED als Funktionskontrolle und einem Heissleiter (Thermistor) in der Frontplatte, der sich im eingeschobenen Zustand direkt über den Widerständen befand.


Schaltungsaufbau für eine Temperatursteuerung durch den Rechner (gestrichelter Kasten ganz unten)

Zu erkennen ist der "Gewächshaus"-Baustein ganz oben mit Heiz-Widerständen und Heissleiter, der an den A/D-Wandler-Baustein mit dem Adapterbaustein verbunden ist.


Digital/Analog-Umsetzer-Baustein mit Verstärker KWK 104 bzw. MPM 103

(Hinweis: es liegt derzeit nur der Baustein MPM103 vor, daher keine Angaben zum KWK104)
Abmessungen: KWK104 und MPM103: Länge 104 mm, Breite 73 mm, Höhe 30 mm

Die Kopplung des D/A-Umsetzer-Bausteins erfolgte mit den wie am Adapterbaustein vorhandenen Leitungen und Systemsteckern mit der PIO-Buchse des Rechners. Der D/A-Umsetzer-Baustein ordnete einem vom PIO-Schaltkreis ausgegebenen, digitalen, parallel anliegenden Eingangssignal ein analoges Ausgangssignal zu. Durch die Spannungsquelle UB = 5 V (vom Netzteil des Computers bereitgestellt) und die durch die acht ankommenden Eingangsleitungen (Bit B0 bis B7) festgelegten Gruppen von abgestuften binär gewichteten Widerständen wurde die D/A-Wandlung vollzogen.


Modul KWK104

Modul MPM103

Der Widerstandswert von R1 ergab sich aus der Summe der reziproken Widerstände Rn der Eingangsleitungen, an denen ein H-Pegel (vom PIO-IS des Computers) anlag. Die Auswahl der Eingangswiderstände wurde so vorgenommen, dass an der Eingangsleitung von Bit B7 der Widerstandswert etwa 1 kΩ betrug. Alle weiteren Eingangswiderstände an den Eingangsleitungen, bis Bit B0, verdoppelten sich jeweils wertmäßig zueinander.


Modul KWK104

Durch den sich ergebenden Spannungsteiler zwischen R1 und R2 erhielt man je nach anliegendem Eingangssignal eine Summationsspannung US, die einem nicht-invertierenden Operationsverstärker zur Verfügung gestellt wurde. Ausgangsseitig lag dann am D/A-Umsetzer eine Steuerspannung UA von 1 ... 10 V als analoges Signal an.

Es folgte eine Auswahl von Messwerten, die durch den Hersteller ermittelt wurden:

EingangssignaleAusgangssignale
DezimalDigital
Bit 7...0
US (V)UA(V)
0 LLLLLLLL 0,00 1,00
25 LLLHHLLH 0,09 1,77
50 LLHHLLHL 0,17 3,33
75 LHLLHLHH 0,22 4,49
100 LHHLLHLL 0,30 6,08
125 LHHHHHLH 0,38 8,66



Motor-Baustein KWK 105 bzw. MPM 104

(Hinweis: es liegt derzeit nur der Baustein MPM104 vor, daher keine Angaben zum KWK105)
Abmessungen: KWK104 und MPM103: Länge 104 mm, Breite 73 mm, Höhe 80 mm

Der Motorbaustein war ein spezialisierter Baustein zur Durchführung von Versuchen, z.B. zur Drehzahlregulierung, die ebenfalls mit einem Programm auf der oben erwähnten ESP-Diskette für den Bildungscomputer robotron A5105 zu steuern waren. Auf dem Baustein waren als funktionsbestimmende Elemente ein Kleinmotor vom Typ GP7 (Hersteller: "VEB PREFO Dresden"), der mit einer Lichtunterbrecherscheibe (Segmentscheibe) versehen war, sowie ein Gabelkoppler MB123 vom VEB Werk für Fernsehelektronik Berlin, montiert. Bei der Arbeit mit dem Motorbaustein musste beachtet werden, dass er mit zwei unterschiedlichen Spannungen arbeitete. Einmal UB = 5 V (Betriebsspannung für den Gabelkoppler) und Ue = 0 V ... 12 V (Betriebsspannung für den Motor). Bei Bewegung der Lichtunterbrecherscheibe durch den Gabelkoppler MB123 lag am Ausgang des Motorbausteins ein Impuls an, der weiter verarbeitet werden musste.


Modul KWK105

Modul MPM104

Bei der Durchführung eines Versuchs zur Drehzahlregulierung durch den Rechner musste folgendes beachtet werden:

Ue = Ua vom D/A-Umsetzer-Baustein
UB über den D/A-Umsetzer-Baustein vom Netzteil des Computers zugeführt
UB und Uehaben eine eine gemeinsame Masse




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