Entwicklung und Fertigung von Schrittmotoren

Beim Antrieb von Druckern ist es notwendig, diskontinuierliche Bewegungen zu beherrschen: das Papier muss zeilenweise sowie der Druckkopf zeichenweise bewegt werden. Anfangs erfolgte bei beiden der Antrieb über klassische Elektromotoren, die meist permanent im Leerlauf drehten. Über elektromagnetische Kupplungen stellte man kurzzeitig die mechanische Verbindung zur anzutreibenden Baugruppe her und trennte diese Kupplung dann wieder. Dieses Verfahren hatte eine Reihe von Nachteilen: Abhilfe für diese Nachteile brachte die Erfindung des Schrittmotors. Ein Schrittmotor ist ein elektronisch angesteuerter Motor, der sich stets in festgelegten Drehwinkeln (Schritten) bewegt und ggf. auch schlagartig gestoppt werden kann. Konstruiert man den Schrittmotor für entsprechend kleine Schritte, ist es mit geeigneter Ansteuerelektronik möglich, quasi jeden gewünschten Drehwinkel zu erreichen. Der Schrittmotor bedingt gegenüber den klassischen Motoren allerdings eine sehr präzise Fertigung und einen hohen Aufwand bei der Ansteuerelektronik.

Ein Schrittmotor besteht aus einer Anzahl im Kreis angeordneter Magnetspulen (Stator), denen ein leicht versetzter Satz Magnete oder Magnetspulen (Rotor) gegenüber steht. Ihre Anzahl bestimmt die Schrittweite des Motors (360° dividiert durch die Anzahl der Magnete).
Beim Anlegen des Stroms an eine Magnetspule wird sich der Rotor also genau soweit bewegen, bis sich dieses Magnetpaar direkt gegenüber steht. Soll weiter gedreht werden, ist der Strom von der Magnetspule elektronisch abzutrennen und an die jeweils nächste Magnetspule zu legen.
In einfachen Fällen wurde die Zeit des Weiterschaltens durch die Ansteuerelektronik fest vorgegeben, für hochwertige Anwendungen konnte die Bewegung des Rotors durch ein Lichtschrankensystem oder durch Messen der Spulenströme überwacht und damit die Spulenströme auch nachgeregelt werden. Durch kurzzeitiges Umpolen der Betriebsspannungen konnte außerdem ein schnelles Bremsen (Überwindung der Trägheit des Motors und der angeschlossenen Baugruppe) erreicht werden.


Prinzip des Schrittmotors. Angenommene Grundstellung.

Schritt 1: Rechte Spule zieht den Rotor an.

Schritt 1: Rotor hat die rechte Spule erreicht.

Schritt 2: Obere Spule zieht den Rotor an.

Schritt 2: Rotor hat die obere Spule erreicht.

Schritt 3: Linke Spule zieht den Rotor an.

Schritt 3: Rotor hat die linke Spule erreicht.

Durch die Dicke der Magnetspulen lässt sich die Größe der Schritte zwar nicht beliebig klein machen, sie ist jedoch kleiner, also für den Einsatzzweck notwendig. Somit kann man jede notwendige Bewegung der Baugruppe aus einer Anzahl kleiner Einzelbewegungen zusammensetzen. Somit konnte mit einem Schrittmotor ein beliebiger Zeilenabstand und eine beliebige Buchstabenbreite (auch Proportionalschrift) erreicht werden.

In der Frühzeit der Computerentwicklung war in den Druckern (z.B. SD1156) sowohl der Papierantrieb als auch der Druckkopfantrieb mit klassischen Motoren und mechanischen Kupplungen ausgerüstet. Das erste Gerät, für das in der DDR ein Schrittmotor als Antriebselement konzipiert wurde, war der Nadeldrucker SD1154 vom Büromaschinenwerk Sömmerda, und zwar zunächst nur für den Druckkopfantrieb. Für Computeranwendung geeignete Schrittmotoren wurde zu dieser Zeit noch nicht in der DDR gefertigt. Als erstes stellte sich also für das Büromaschinenwerk Sömmerda die Frage "Woher nehmen und nicht stehlen": Ergebnis der Misere war wie in der DDR allgemein üblich die Entscheidung zur Eigenentwicklung.
Der Motor hatte vier Spulenpaare, Stator und Rotor waren gezahnt. Durch einen Versatz der Statorverzahnung ergab sich mittels der vier Spulenpaare ein magnetisches Drehfeld und beim statischen Bestromen eines Spulenpaars jeweils eine Raststellung. Im Gegensatz zum heute üblichen Konstruktionsprinzip war der Rotor weichmagnetisch. Der Schrittwinkel betrug 3° (?). Dadurch, dass immer nur ein Spulenpaar bestromt werden konnte, war die Ausnutzung des Wickelraumes ungünstig und der Wirkungsgrad bezogen auf die Baugröße begrenzt. Schrittmotoren dieses Funktionsprinzips wurden in den Druckern SD1154, SD1157, SD1152/251, TSD16 und TSD40 eingesetzt.


Älterer Schrittmotor des Druckers SD1154 in offener Bauweise

Neuerer Schrittmotor des Druckers K6313 mit Getriebe

Die nächste Stufe war die Entwicklung von Schrittmotoren mit permanentmagnetischem Rotor und unipolarer und bipolarer Wicklung. Dieses Prinzip erlaubte eine kompaktere Bauweise und bessere dynamische und Leistungsparameter. Dabei stellte die Beschaffung von leistungsstarken Magnetwerkstoffen ein großes Problem dar. Diese Motoren fanden z.B. in den Druckerbaureihen SD1152/257, K63xx und TS80 ihre Anwendung (Bewegung des Druckwagens, Papiertransport, Positionierung des Typenrades). Mit dieser Motorenreihe wurde das BWS zum größten Hersteller von Schrittmotoren im RGW und lieferte auch die Motoren für die verschiedenen Typenradschreibmaschinen von Optima Erfurt und für die Diskettenlaufwerke des BWK.

Die Fertigung der Motoren war hoch-automatisiert: die Montage erfolgte mit Robotern, die vom Kombinatsbetrieb VEB Robotron Rationalisierung Weimar gebaut wurden. Laut dem Buch "Die wechselvolle Geschichte eines Industriestandortes in Thüringen / BWS" von Annegret Schüle der Desotron Verlagsgesellschaft wurden im Zeitraum von 1982-1990 über 4,7 Mio. Schrittmotoren gefertigt. Im Jahre 1988 waren es allein 1,2 Mio. Aus dem Betriebsteil Schrittmotorfertigung des BWS ist nach der Wende die Firma "Microstep" hervorgegangen.



Letzte Änderung dieser Seite: 09.05.2023Herkunft: www.robotrontechnik.de