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30.05.2023, 17:55 Uhr
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. Mercedes-Rechenmaschinen aus Zella-Mehlis . In der Thüringer Kleinstadt Zella-Mehlis wurden von 1913 bis in die 1970er Jahre mechanische Rechenmaschinen produziert. . .
Ich weise ausdrücklich darauf hin, die nachfolgenden Zeilen sind nicht als recherchierter Fachaufsatz gedacht, sondern sollen Interessierten nur einen Überblick und Anreiz geben, sich mit der Thematik zu befassen. Ich verzichte deshalb auch auf weitere Bilder. Die Aussagen und Informationen sind ausschließlich den am Ende angeführten Quellen entnommen und nicht überprüft worden! Dabei wurden einige Ungereimtheiten und Widersprüche bemerkt. Wenn überhaupt, dann wurde die aus meiner Sicht wahrscheinlichste Aussage verwendet. Im Text wurden die Quellen nicht ständig wiederholt.
Der badische Kaufmannssohn Dr. Gustav Mez erwarb ein Patent für eine Schreibmaschine, sicherte sich die Namensrechte an "Mercedes" für Büromaschinen und gründete im Dezember 1906 in Berlin auf dieser Basis die Mercedes Bureaumaschinen Gesellschaft mbH. [1]
Er kam in Kontakt mit dem Berliner Mechaniker und Ingenieur Christel Hamann (1870-1947). Dieser hatte mit dem Proportionalhebel-Antrieb und der Realisierung der Subtraktion mittels Neuner-Komplement-Addition (!) eine neue Umsetzung einer Zifferneingabe in eine für Zählaufgaben nutzbare mechanische Größe bei einer 4-Spezies-Rechenmaschine erdacht (Patent DE179246 vom 26.11.1904 [2] und DE209817 vom 31.05.1906 [3]). In seinem Berliner "Mathematisch-Mechanischem Institut" (gegründet 1896) konstruierte und stellte er Rechenmaschinen in kleiner Stückzahl her (u.a. das Sprossenrad-Modell "Berolina", die Addiermaschine "Plus", die "Gauß" als ein Vorgänger der "Curta", eine "Differenzen-Maschine" zur Berechnung von Logarithmen und auch erste Exemplare der "Euklid"). 1907 wurde sein Institut Teil der Mercedes Bureaumaschinen Gesellschaft und er Chefkonstrukteur (für Rechenmaschinen).
Ab 1908 wurde aus wirtschaftlichen Erwägungen begonnen, die Produktion zunächst der Schreibmaschinen nach Mehlis (zu dieser Zeit noch ein selbständiger Ort) zu verlagern. Auf Grund der in dieser Gegend traditionellen Waffenproduktion gab es genügend gut ausgebildete und geschickte Mechaniker, die bezogen auf das Berliner Niveau jedoch nur ungefähr den halben Arbeitslohn erhielten. Ca. 1913 startete dort auch die Herstellung von Mercedes-Euklid-Rechenmaschinen. Besonders anzuführen sind die 1913 vorgestellten Modelle 7 und 8. Sie stellen die ersten elektrisch angetriebenen rechnenden Vollautomaten dar, d.h., für Multiplikation und Division sind nur jeweils beide Werte einzustellen, während die Maschine alle übrigen Arbeiten vollkommen selbsttätig ohne Hilfe der menschlichen Hand ausführt. Die noch vor dem 1. Weltkrieg ausgelieferte Stückzahl war jedoch nicht sehr groß. Die unter Hamann entwickelten Euklid-Modelle der ersten Serie wurden ab Beginn der 1920er Jahre in wachsender Stückzahl hergestellt und weltweit vertrieben. Eine Beschreibung der einzelnen Typen findet sich z.B. in [4] und [5]. Hamann verließ 1922 die Mercedes Bureaumaschinen Gesellschaft, wurde bei der Berliner Deutschen Telephonwerke und Kabelindustrie AG (DeTeWe) Chefkonstrukteur der neu gebildeten Abteilung Rechenmaschinen und wandte sich der Entwicklung und Herstellung eines wieder von ihm erfundenen neuen Rechenmaschinentyps mit Schaltklinken zu.
Ab 1924 wurde die unter Leitung des technischen Direktors Carl Schlüns (1870-1936) entwickelte Mercedes Addelektra, eine erste elektrisch angetriebene Buchungsmaschine (andere Bezeichnung: Fakturiermaschine) hergestellt. [6] Diese konnte als Schreibmaschine Texte schreiben und in Zeilen und Spalten eingefügte bis zu 16stellige Zahlen (normal 10stellige) saldieren und ausdrucken ... [7]
Zur Finanzierung der sich ständig ausweitenden Produktion von Schreib-, Rechen- und Buchungsmaschinen wurde 1927 die Mercedes Bureaumaschinen Gesellschaft mbH in die Mercedes Büromaschinen-Werke A.G. umgewandelt. Hauptaktionär wurde 1931 das amerikanische Unternehmen Underwood Elliot Fisher Company. [8] Dies war später ein wesentlicher Grund für die nicht erfolgte Bombardierung im 2. Weltkrieg und keine Demontage als Reparationsleistung nach 1945. (Das im gleichen Ort gelegene Walther-Werk dagegen wurde vollständig zerstört.)
Zu Beginn der 1930er Jahre wurden die Euklid-Rechenmaschinen komplett konstruktiv überarbeitet. Sie wurden zu Pultmaschinen mit einem kompakten, abgerundeten Gehäuse, vorn liegender Würfel-Tastatur und dahinter sich befindendem Resultatswerk-Schlitten. [Ob daran Christel Hamann noch Anteil nahm, konnte ich den angeführten Quellen nicht entnehmen.] Zu den Euklidserien III und IV zählen die Modelle 21 bis 38.
Zusätzlich ins Produktionsprogramm aufgenommen wurde ab 1938 eine druckende Kleinaddiermaschine anfangs mit Handantrieb. Sie erhielt die Modellbezeichnung A51, hatte nur eine Zehner-Tastatur und als Neuerung einen Stellrad-Schlitten zur Eingabe-Speicherung und Anzeige. Darüber hinaus war der aktuelle Stand des Resultatswerkes sichtbar. Entwickelt hatte sie August Pott (Patente: DE652667 und DE701253 vom 19.04.1934). [9]
So entwickelte sich die Mercedes Büromaschinen-Werke A.G. in den 1930er Jahren zu einem der führenden Büromaschinen-Hersteller auch über Deutschland hinaus. Bereits in den 1940er Jahren wurde das "Euklid" im Modellnamen durch ein einfaches "R" (für Rechenmaschine, analog "A" für Addiermaschine) ersetzt.
Nach dem Kriegsende 1945 befand sich Zella-Mehlis in der sowjetischen Besatzungszone. Die Mercedes Büromaschinen-Werke AG wurde der Militäradministration unterstellt und hatte ihre Produktion als Reparationsleistung zu erbringen. Dabei war auch gleich das technologische 'know how' "mitzuliefern". Nach Gründung der DDR kam sie unter deren staatlicher Verwaltung. Jetzt wurden auch wieder Mercedes-Rechenmaschinen für den Handel im eigenen Land und den traditionellen Export in andere Länder hergestellt. Dabei verzichtete man im Unterschied zu ähnlich gelagerten Firmen hier jedoch in Firmenschriften und Werbung auf das sonst übliche "i.V." im Firmennamen. Zunächst wurden die Vorkriegsmodelle R21, R29, R37, R37SM, R38, R38SM und A51 unverändert weitergebaut. Nur die Farbgebung wechselte Anfang der 1950er Jahre von grün/schwarz auf Grautöne.
Ab Mitte der 1950er Jahre wurden die sich noch im Produktionsportfolio befindenden Rechenmaschinen nochmals überarbeitet und das Äußere dem Zeitgeschmack angepaßt. Für die Addiermaschinen war das anfangs eher von kosmetischer Natur. Denn unter dem größeren, grauen Gehäuse mit Würfeltasten und innen liegendem Papiertransport arbeitete die gleiche Rechenmechanik (zumindest ist keine nennenswerte Änderung erkennbar). Doch (man lese und staune) das Motor getriebene, saldierende Modell A56 (wie auch der Vorgänger A54) verrechnete sich in einer bestimmten Konstellation! [9/Seite 12f] Folglich mußte man relativ kurzfristig Teile des Rechenwerks neu konstruieren. Diese Änderungen wurden dann 1956 in den Modellen A57 und A58 wirksam. Bei den (Euklid-)Rechenmaschinen wurde das Rechenwerk vollständig neu konstruiert, um es kleiner zu gestalten bei Fortbestand der grundsätzlichen Funktionsweise. Hinzu kam auch eine neue Ausführung der Tastatur. Die R44SM wurde als erstes überarbeitetes Modell auf der Leipziger Herbstmesse 1955 vorgestellt. Sie konnte bis zu 20stellige Zahlen saldieren bzw. zwei bis zu 10 stellige Zahlen multiplizieren oder dividieren, hatte einen Speicher und beherrschte die mehrfache Multiplikation. 1963 wurde mit der R31, ein Halbautomat in einem Kunststoff-Gehäuse, letztmalig eine überarbeitete elektromechanische Rechenmaschine in die Produktion überführt.
Am Beginn der 1960er Jahre startete man mit der Produktionsaufnahme des SER 2 (ein voll transistorisiertes, programmierbares Rechensystem) ins elektronische Zeitalter. Um dies auch im Markennamen auszudrücken, wurden auch die elektromechanischen Rechenmaschinen jetzt unter CELLATRON angeboten. Durch an den Finanzmärkten übliche Transaktionen wurde am Ende der 1960er Jahre die Mercedes Büromaschinen-Werke AG faktisch aufgelöst und am 1.4.1969 der volkseigene Betrieb (VEB) Rechenelektronik Meiningen/Zella-Mehlis als Teil des Kombinats Zentronik geschaffen. Die Herstellung (elektro-) mechanischer Rechenmaschinen lief 1975 (?) endgültig aus. (Ab 1966 wurden im VEB Büromaschinenwerk Sömmerda bereits der elektronische Tischrechner ETR 220 und ab 1973 im VEB Röhrenwerk Mühlhausen die elektronischen minirex-Taschenrechner gefertigt.)
[1] Krause, C., Jacobs, D.: Von der Schreibmaschine zu Mikrorechnersystemen; Vortrag auf Treffen der Rechenschiebersammler, Erfurt 2009 <www.rechenschieber.org/wordpress/wp-content/uploads/2017/11/zella.pdf>
[2] <www.rechnerlexikon.de/artikel/Hamann,_Christel>
[3] <www.rechnerlexikon.de/artikel/Mercedes>
[4] <www.rechnerlexikon.de/artikel/Mercedes_Euklid_Geschichte>
[5] Anthes, E.: Die Mercedes Euklid 1910-1970 <www.ph-ludwigsburg.de/mathematik/mmm/gruen_mercedes.htm>
[6] <www.arithmeum.uni-bonn.de/sammlungen/Mercedes-Addelektra.html>
[7] <www.rechnerlexikon.de/artikel/Bild:Mercedes_Addelektra_SR22_1938-TL.jpg>
[8] von Nordheim, L.: Büromaschinenfertigung <www.zella-mehlis-geschichte.de>
[9] Härtel, P.: Addier- und Saldiermaschinen mit Stellradschlitten der Mercedes-Büromaschinenwerke A.-G. <www.rechnerlexikon.de/artikel/Haertel-2015/8>
[ ] Jacobs, D., Thumma, M.: Von Mercedes zu Robotron - Eine Weltfirma im Wandel der Geschichte; Heinrich-Jung-Verlagsgesellschaft mbH Zella-Mehlis/Meiningen, 2006
Zur zeitlichen Einordnung der Mercedes-Rechenmaschinen an Hand der Seriennummer:
[ ] <www.rechnerlexikon.de/artikel/Reese/Anthes_2000.pdf>
Ring frei für Hinweise auf sachliche Fehler und Ergänzungen von wesentlichen Fakten (aber bitte mit Quellennachweis)! . Dieser Beitrag wurde am 31.05.2023 um 09:24 Uhr von AE editiert. |