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Robotrontechnik-Forum » Mechanische Bürotechnik » vom Nikolaus » Themenansicht

Autor Thread - Seiten: -1-
000
10.12.2022, 11:53 Uhr
AE
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Aus der Eisenzeit der Rechentechnik - Rechnen mit Rädern hier:


Eine kleine Nikolaus-Geschichte

Als ich vor einigen Tagen im mittlerweile in dieser Gegend üblichen grünen Winterwald zufällig den 2022er Nikolaus traf, verwickelte ich ihn in ein Gespräch, lunschte dabei in seinen Gabensack und schwatze ihm dann eine alte Rechenmaschine ab. Diese traf nun an einem dunklen Dezembertag bei Schneeregen mit der rollenden Schlittenpost bei mir ein (so daß ich zunächst den Eingangszustand nicht fotografieren konnte). Nach dem Auspacken lugte ich, neugierig wie ich nun mal bin, trotzdem hinter die Lasche am Sockel vorn, rechts nach der Seriennummer: Thales C 8194 (Reese: um 1920 [1])! Oh, welch' freudige Überraschung ...
Sie erreichte mich noch dazu in einem äußeren 1b-Zustand:
außen oberflächlich gereinigt,
bis auf die Kommaschieber des Einstellwerks alles dran (Vielleicht mit dem Werkstatt- oder Eigentümerschild entfernt?),
die verchromten Teile mit einer "schützenden!" Patina aus verharztem Öl bedeckt,
auch sonst keine äußeren Anrostungen,
doch leider die originale Grundplatte aus Eichenholz "passend" abgesägt und,
wie bereits im Nikolaussack zu erkennen war, fest:
Der Löschkamm befand sich hinter den Einstellhebeln, die Kurbel nicht in der Ruhestellung
(auf Grund der Drehrichtungssperre waren damit alle Bedienhandlungen blockiert).
.

.
Natürlich konnte ich mit meinen Vorkenntnissen aus dem <Rechnerlexikon.de> nicht widerstehen:
Ich löste die Befestigung des Löschkammes, drehte die Kurbel in die Grundposition,
schraubte den Löschkamm wieder fest, ölte sein Lager vorsichtig und probierte dann
die einzelnen Bedienfunktionen aus. Und siehe, die Ziffern ließen sich auf allen Stellen leichtgängig eingeben, ins Resultatswerk kurbeln und auch in allen drei Werken wieder löschen. Nur an das Rattern des Umdrehungszählers bei Subtraktionen mußte ich mich erst gewöhnen (Thales-Patent [2]).

Nun hieß es, hinter die Funktionsweise des Schlittentransports zu kommen:
Für ein Verschieben nach rechts ist zunächst der Schnapper (Bölter [3]) vorn in der Mitte des Schlittens zu drücken und so der Schlitten zu entriegeln. Gleichzeitig ist er mit der am linken Ende des Schlitten angebrachten Griffplatte nach rechts zu schieben. Das geht etwas schwer, da dabei eine gekapselte Spiralfeder gespannt wird. Diese ermöglicht es mittels eines Stahlbandes, bei Division nur durch Betätigung des Schnappers den Resultatswerk-Schlitten per Federzug um je eine Stelle nach links zu rücken. Bei zusätzlichem Niederdrücken des kleinen Hebels unten an der Griffplatte kann der Schlitten nicht rastend über den gesamten Bereich verschoben werden.
Leider ließ sich das Stahlband nicht, wie eigentlich vorgesehen, aus der Halterung am Schlitten ausklinken. Der Schlitz war zu gebogen. Das verhinderte deshalb erst einmal den Ausbau des Resultatswerk-Schlittens.

Halt, werden jetzt die Liebhaber alter Thales-Rechenmaschinen sagen, hier stimmt doch etwas nicht? Doch! Augenscheinlich hat der Konstrukteur Emil Schubert [4] bei diesem Exemplar neue technische Lösungen ausprobiert, die erst bei deutlich höheren Seriennummern zu finden sind. Dafür spricht z.B. das angehängte "M" bei der Teile-Kennzeichnung. Weiterhin sind am Deckblech des Eingebewerks noch die gestanzten Durchbrüche für die Anschlagleiste zu finden. Und vielleicht hat der letzte Nutzer im Wissen darum deshalb die Rechenmaschine in einen Zustand versetzt, die einen unbefugten, spielerischen Gebrauch verhinderte?
.

.
Mal sehen, welche Überraschungen oder Geheimnisse mich nach dem Entfernen der Deckbleche noch erwarten. Die Schräubchen sehen zumindest danach aus, daß sie länger als ein halbes Jahrhundert nicht mehr gedreht wurden. Also ist größte Vorsicht geboten ...

Da hat doch der Nikolaus, mildtätig und schlau wie er nun einmal ist, zugleich seinen Gabensack erleichtert, eine große Freude bereitet und mir einen Haufen Arbeit für die dunklen Winterabende aufgebuckelt (einiges muß sicherlich bis in die warme Jahreszeit warten) ...
Trotzdem, Danke lieber Nikolaus!


[1] <www.rechnerlexikon.de/artikel/Reese_2015/3> "Seriennummern von Thales und Schubert Rechenmaschinen"
[2] 1914, Patent Nr. 296.532 - Gruppe 30 "Selbsttätige Umschaltvorrichtung für das UZW"
[3] <www.boelters.de/Rechenmaschinen/_Thales/thales_c.html>
[4] <www.rechnerlexikon.de/artikel/Schubert,_Emil> Schubert-Emil-Gründer-Reese-2001.pdf

.
Dieser Beitrag wurde am 10.12.2022 um 11:54 Uhr von AE editiert.
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001
11.12.2022, 14:04 Uhr
Friedrich

Avatar von Friedrich

Danke, der Alltag leutet wieder!

Die Maschinen ansich sind ja oft recht unnahbar, bis man sie auseinandernimmt oder die Geschichte dazu erfährt.

Schöne Adventszeit!

Friedrich
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002
11.12.2022, 16:32 Uhr
Rüdiger
Administrator
Avatar von Rüdiger


Zitat:
AE schrieb
Da hat doch der Nikolaus, mildtätig und schlau wie er nun einmal ist, zugleich seinen Gabensack erleichtert, eine große Freude bereitet und mir einen Haufen Arbeit für die dunklen Winterabende aufgebuckelt (einiges muß sicherlich bis in die warme Jahreszeit warten) ...
Trotzdem, Danke lieber Nikolaus!



Wenn der Nikolaus einen Sack voll solcher Maschinen schleppen musste, ist es verständlich, dass er auf Gewichtsreduzierung erpicht war.
Jedenfalls schön, dass Du die Maschine gerettet hast.
--
Kernel panic: Out of swap space.
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