Computer in der Musik und im Showgeschäft

Synthesizer Keyboard Tiracon 6V

(Alias Tiracon-6V, Tirakon)

Im Rahmen seiner Konsumgüterherstellung wurde im VEB Automatisierungsanlagenbau Cottbus ein mikrorechnergesteuerter Keyboard-Synthesizer entwickelt und ab 1987 in die Produktion überführt. Bei der Markteinführung war das Gerät für 4.350,- M ausgepreist, jedoch schwer zu bekommen. Es wurde nur ein Modell der Serie (Tiracon 6V) hergestellt.

Beim Tiracon handelte es sich um einen "Hybrid-Synthesizer", also ein Gerät mit polyphoner analoger Klangerzeugung, gesteuert von einem digitalen Mikroprozessor U880. Damit entsprach das Gerät etwa dem internationalen Stand dieser Geräteklasse um 1982-84. Bei der Entwicklung, die ausschließlich mit DDR-Bauelementen realisiert wurde, flossen Konstruktionselemente des ROLAND POLY800 sowie KORG Poly 61 ein. Im Westen war man bei der Einführung des Tiracon bereits einen Schritt weiter und bot mit dem Roland D-50 und Yamaha DX7 Synthesizer mit digitaler FM-Klangsynthese an. Diese wurde aber bei beiden mit herstellerspezifischen DSPs realisiert, die in der DDR weder beschaffbar, noch kurzfristig herstellbar waren.

Beim Betrachten des Tiracon fällt auf, dass es recht wenige Bedienelemente auf dem Paneel besaß. Wie auch bei o.g. internationalen Vergleichsgeräten war es Mitte der 1980er Mode, weg von den Geräten mit dekorativen Holzteilen, vielen Reglern und Knöpfen und hin zu lackierten Metalloberflächen mit wenigen Tasten und einer Menüführung zu gehen. Neben diesem reduzierten Design war dies sicherlich auch einem international einsetzenden Trend zur Materialeinsparung (weniger Bedienelemente, Bohrungen, Lötstellen) und damit einer Kostenreduzierung geschuldet. Das Problem bei dieser Bedienung war, dass jeder Parameter über die Tasten unter dem 7-Segment-Display angewählt und dann mittels der Zifferntasten "programmiert" werden musste, aber man nicht mehr "live" gleichzeitig an allen möglichen Reglern drehen und den Klang beeinflussen konnte. Heutzutage wird das als großer Nachteil dieser Gerätegeneration gesehen. International trug man dem Benutzerwunsch nach "Live-Bedienung" bald Rechnung mit der Entwicklung zusätzlicher "Programmer" - kleine Kästen mit den ganzen Bedienknöpfen und einem MIDI-Interface zum Keyboard. Ob für das Tiracon ein Programmer entwickelt wurde, ist nicht bekannt.

Technik

Die Klaviatur bestand aus 49 Tasten, die vom Rechner zyklisch abgefragt wurden und war nicht anschlagdynamisch. Die Einheit arbeitete mit Metallkontaktfahnen, kam aus Klingenthal und war im Vergleich zu den West-Geräten nicht sehr komfortabel zu spielen.

Der Synthesizer war 6-stimmig polyphon, konnte also gleichzeitig 6 Töne erzeugen. Die Tonerzeuger waren als einzelne Steckkarten auf einer Grundplatine ausgeführt. Sie bestanden jeweils aus einem Erzeuger (VCO), Filter (VCF) und Verstärker (VCA), die über einen Digital-Analog-Wandler C565D vom Rechner gesteuert wurden. Für die Verlaufsparametrierung der Filter und Verstärker standen zwei Hüllkurvengeneratoren (EG) zur Verfügung. Weitere Funktionen waren Vibrato, LFO, Rauschgenerator und PWM.

Links neben der Klaviatur gab es einen Joystick mit zwei Potis in x- und y-Richtung. Hiermit konnte beim Spielen die Tonhöhe und Modulation manipuliert werden.

Der Einsatz des Mikroprozessor ermöglichte die Abspeicherung von Sounds, einen Sequenzer und die Implementierung von MIDI-Ein- und -Ausgabe. Das Tiracon hatte 32 Speicherplätze. Diese wurden bei Netzabschaltung durch zwei Knopfzellen gestützt. Die gespeicherten Sounds konnten mit einem Kassettenrekorder als Datenpakete aufgezeichnet und später wieder ins Gerät geladen werden. Der Sequenzer besaß eine Kapazität von 250 Tönen auf zwei Spuren. Auf Knopfdruck konnte der Rechner eine automatische Stimmung der Tonerzeuger durchführen.

Das Gerät besaß 8 KB ROM (U2716) und 2 KB RAM (UL224). Die Steuerung des Gerätes und Bedienerkommunikation realisierten eine CTC U857 und drei PIO U855. Die MIDI-Schnittstelle und das Kassettenrekorder-Interface wurden mit einer SIO U8560 aufgebaut.

Das Keyboard besaß eine Masse von 14 kg.


Zusammenfassung

Für den DDR-Binnenmarkt stellte das Tiracon 1987 ein wirklich leistungsfähiges, variabel einsetzbares Spitzenprodukt dar. International war es aber nicht mehr Stand der Entwicklung und in dem realisierten Funktionsumfang begrenzt.

Wieviele Tiracon 6V hergestellt wurden, ist nicht genau bekannt. Schätzungsweise 1000 - 1200 Geräte. Die Produktion wurde nach der Wende 1990 recht schnell eingestellt und der Betrieb abgewickelt. Zu dieser Zeit noch vorhandene Komponenten aus der Tiracon-Fertigung wurden von einem Elektronikhändler aus Cottbus aufgekauft und einzeln an Hobbyelektroniker vertrieben.

Heute existieren noch einige Tiracon 6V, von denen auch noch viele einsatzfähig sind und von Musikern produktiv eingesetzt werden. Einige Geräte fanden auch ihren Weg nach Amerika. 2013 gelangte das Tiracon 6V erneut in den Fokus des Interesses, nachdem es in der Zeitschrift "Keyboards" in der Vintage-Rubrik "Love the machine" umfangreich vorgestellt wurde. Tiracon Keyboards sind heute seltene Sammlerstücke, die mitunter recht teuer gehandelt werden.


Lichtwartenanlage LIWA

Diese Anlage haben wir auf einer separaten Seite beschrieben.


Tonstudiosystem S2000

(Alias S 2000, S-2000)

(nicht zu verwechseln mit der gleichnamigen SPS)

Fußball-Anzeigecomputer

Diese Anlage haben wir auf einer separaten Seite beschrieben.




Letzte Änderung dieser Seite: 04.01.2023Herkunft: www.robotrontechnik.de