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16.01.2011, 11:27 Uhr
jmueller
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Hallo Peter,
was du zur SU schreibst, ist je hinlänglich bekannt. Sie mussten technologisch mithalten und haben es mit sicherlich erheblichen Aufwand prinzipiell auch immer geschafft.
Doch ich habe mehr auf die Fehlentscheidungen der DDR abgezielt. Es wurden enorme finanzielle Mittel in die Mikroelektronik gepumpt (ein zweistelliger Prozenzsatz der gesamten DDR-Wirtschaftsleistung!!!). Diese Mittel gingen überwiegend in den FE-Bereich, und man hat ja Ende der 80er dort auch tatsächlich Erfolge zu verzeichnen gehabt. Aber die Produktion wurde vernachlässigt, sodass sich der wirtschaftlche Nutzen nicht so richtig einstellen konnte. Beim 64K DRAM hat es z.B. 7 Jahre gedauert vom Entwicklungsbeginn bis zur Produktionsaufnahme! (Das Drama U256 -> U2164 ist ja ein besonders markantes Beispiel für zweifelhafte Entscheidungen.) Dadurch konnte die DDR erst 1988 den Eigenbedarf an Speicherschaltkreisen decken. Bis dahin ist die SU eingesprungen, und das, obwohl wir erst an dritter Stelle in der Priorität standen (1. Militär, 2. SU-Inland, 3. RGW). Das zeigt, dass die SU die IC-Massenproduktion einfach besser im Griff hatte. Als ab etwa 1982 im gesamten RGW eine recht große 8-Bit-Computerproduktion begann, hat die SU die notwendigen ICs geliefert. Das Produktionsspektrum der einzelnen RGW-Länder war nunmal immer recht lückenhaft (das galt für die DDR vielleicht etwas weniger).
Wobei, die Erkentnis, dass Computer billiger herzustellen sind, wenn neben CPU und Speicher auch noch ander hochintegrierte Schaltkreise zur Verfügung stehen, hat sich in der DDR auch erst sehr spät durchgesetzt. FDC und GDC gab es erst ab 1987/1988. Und da war es dann wieder so, die ICs waren offiziell verfügbar, die DDR-Industrie hat sie verwendet (PC1715W (FDC), A5105, Mansfeld-PC) und weil die Produktionsaufnahme sich wieder lange hingezogen hat, wurden dann überwiegend Import-Schaltkreise eingesetzt. Die SU war auch da etwas weitblickiger: Im PC1715 (1982) z.B. steckt ein (Intel-kompatibler) sowjetischer CRT-Controller.
Ein anderer Punkt ist die schlechte Prozentausbeute: MME erreichte nur 15-25% während bei gleichen Schaltkreisen (in der Massenproduktion) im Weltmaßstab 50-70% erreicht wurden. Auch das sind hauptsächliche hausgemachte Probleme. Auf diesen Punkt geht z.B. auch die o.g. Dissertation ein, auch auf die schlechte Einlaufkurve von ESO2. Und obwohl dieses Wissen 1986 schon (wissenschaftlich) bekannt war, wurden die gleichen Fehler bei ESO3 1989 wieder gemacht.
Ich finde, wenn man die DDR-Mikroelektronik betrachtet, dann muss man auch mal den Blick zu den anderen RGW-Ländern wagen: Die haben nicht soviel Geld dort investiert und haben auch Computer gebaut. Sie hatten aber auch nicht den Wahn, aller selbst und nochmal und dafür etwas inkompatibel erfinden zu müssen (z.B. A7100 mit MMS16). Der erste tschechische 16-Bit-Computer war meines Wissens dagegen gleich XT-kompatibel. Und bei Heimcomputer haben mehrere andere RGW-Länder ganz ungeniert den Spektrum nachgebaut, klein und mit vernünftiger Tastatur. Dafür hat die DDR zwar was eigenes entwickelt, nur gab es das dann lange Zeit nicht für Ottonormalverbraucher zu kaufen. Erst 1989 hat man sich mit dem KCcompact an etwas kompatiblen gewagt, nachdem man gemerkt hat, dass Z9001 und KC85 aufrund der fehlenden Spielprogramme mit westlichen Heimcomputern nicht mithalten können.
In Summe gesehen war es ziemlich unwahrscheinlich, dass die DDR jemals mikroelektronische Produkte auf dem Weltmarkt gewinnträchtig verkaufen konnte, und erst recht nicht, dass sich diese vielen vielen Milliarden amortisieren. Es hatten zwar viele Leute ihr Bestes gegeben und auch großartige Arbeit geleistet, aber das System hat nunmal fast alles ausgebremst.
Zitat: | Der Reichtum der BRD in den Jahren vor der Wende ist zum großen Teil dem Fleiß von DDR-Werktätigen zu verdanken
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Da wäre ich etwas vorsichtig, vorallem mit der Aussage "großer Teil". Es ist zwar richtig, dass die DDR vieles im Westen verschleudert hat, und wie manche Import/Export-Statistiken heute zeigen, war das auch mehr, als man gemeinhin gedacht hat, aber die DDR hatte keinen allzugroßen Anteil am Gesamtimport der BRD. Auch das zeigen diese Statistiken. Und da die DDR-Produkte meistens bei großen Ketten im Billigbereich verramscht wurden, war die Zielgruppe überwiegend die unteren sozialen Schichten der Bevölkerung. Es hat nun wirklich nicht jeder BRD-Bürger DDR-Hemden getragen (weil es keine Markenhemden waren) , einen DDR-Fernseher benutzt oder seine Küche bei Neckermann gekauft. Außerdem, es stand ja der DDR frei, selbst Vertriebsstrukturen in der BRD aufzubauen und so die Margen zu erhöhen. Das hätte aber auch bedeutet, man müsste einiges an eigenem Personal in BWL, Marketing und vorallem Umgang mit Kunden schulen und denn die Leute auch noch in den Westen schicken. Das entsprach aber nun mal überhaupt nicht der Ideologie.
So, nun habe ich aber viel zuviel getippt. Und deshalb ist nun erstmal Schluss.
Jens |