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09.09.2008, 10:08 Uhr
P.S.
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Es ist schon einige Wochen her - das Telefon klingelte und am anderen Ende war ein Journalist namens Peter Kaiser vom Kulturradio des MDR. Die wollten eine Sendung machen zum "20. Jahrestages des 1MegaByte-Chips der DDR" - so wörtlich. (Jahrestage erzeugen bei mir immer so einen komischen Beigeschmack...) Dazu wollten er mich interviewen, da ich doch wegen meines Buches "Die Geschichte der Mikroelektronik/Halbleiterindustrie der DDR" gewiss einiges zu erzählen hätte. Zunächst mußte ich den Herrn berichtigen, da er ja offensichtlich den Unterschied zwischen Byte und Bit nicht kannte. Schließlich ließ ich mich breitschlagen und das Weitere nam seinen Lauf... Jedenfalls mußte ich feststellen, daß von einer fundamentierten Recherche keine Rede sein konnte. Mühsam versuchte ich in der kurzen Zeit, die zur Verfügung stand, die vorhandene Unkenntnis zu beseitigen und Halbwahrheiten halbwegs auszubügeln. Mein Buch war zwar bekannt, aber gelesen...? Mir wurde eine Kopie der Sendung als CD versprochen, ist aber bis heute noch nicht eingegangen. Als ich kürzlich den betreffenden Online-Text las, ist mir schon wieder ganz übel geworden - Dummheit und Ignoranz kennen offensichtlich keine Grenzen... Gab's Honneckers Spruch mit "Ochs und Lauf" nicht 1989 auf der Feierlichkeit zum 40. Jahrestag der DDR im Palast der Republik?
Berichtigung und Ergänzung zu meinem Beitrag <011>: Es war nicht auf den Seiten des ROBOTRON-Fördervereins, sondern in der bereits von mit rezitierten Quelle: www.ps-blnkd.de/Silicon-Saxony.pdf.
Zur 1Mbit-Story gibt es dort Ausführungen über den damaligen Chefentwickler Dieter Landgraf-Dietz, sowie seine Team-Kollegen Jens Knobloch, Michael Raab und Bernd Junghans. Bereits Ende 1986 erhielt DL-D vom GD Biermann persönlich den Auftrag bis 1989 den 1MBit-DRAM und bis 1992/93 den 4MBit-Chip in eine Pilotfertigung zu bringen. Unabhängig davon sollte die "holpernde" Serienfertigung der 256K-Speicherchips stabilisiert werden. Es war das "Programm der Höchstintegration", ein - wie immer in solchen Fällen - Projekt mit höchster Geheimhaltungsstufe. Schwierig durchzusetzen war das allerdings bei der notwendigen Kooperation mit weiteren 250 bis zeitweise nahezu 1000 Experten aus der ganzen Republik. Die Stasi und das Schalck-Imperium spielte natürlich auch mit, die Russen und, und... und trotz der üblich "Schwierigkeiten im System" konnten bereits am 9.8.1988 die ersten fehlerfreien Muster-Scheiben hergestellt werden. Am 12.9.1988 stellte GD Biermann im Berliner Staatsratsgebäude Honnecker diese Spitzenentwicklung vor. "Zufälligerweise" war auch Gorbatschow mit einer sowjetischen Regierungsdelegation dabei und auf die Frage eines seiner Minister, woher den die DDR die dazu notwendigen Spezial-Ausrüstungen hat, antwortete Biermann genüßlich "aus der Mongolei". Es gibt noch ein weiteres Bild, als sich Honnecker und Mittag im kleinen Kreis von GD Biermann und dem Entwicklerteam den 1MBit-Chip an Hand eines mehrere qm-großen Chip-Foto Posters erklären läßt. Ob die davon wohl ein Wort verstanden haben...? Nach umfangreicher Schwachstellenanalyse wuchsen dann langsam Zuverlässigkeit und Ausbeute der Pilotproduktion, so daß noch 1989 (Zitat) "einige Zehntausend Megabit-Speicherschaltkreise an ...Robotron" geliefert werden konnte. Die Ausbeute erreichte am Jahresende 12%, ein im DDR-Maßstab vergleichsweise guter Wert. International wurden jedoch bereits 70% erreicht, bei einer wöchentlichen (!) Produktion von 1 Million Stück. Es blieb bei dieser Pilotproduktion im ZMD in Dresden. In Erfurt war zwar die Massenproduktion geplant, aber von ESO III stand damals nur die Bauhülle und weder der Reinstraum noch die speziellen TSA waren in Aussicht.
DL-D beschäftigte sich dann seit Anfang '89 bereits mit dem 4MB-Thema. Dazu sollte in Dresden Klotzsche-Grenzstrasse auf der grünen Wiese eine völlig neue Fabrik gebaut werden, Kostenpunkt ca. 3 Milliarden Mark (nicht DM!). Damals eine unvorstellbar hohe Summe, aber heute geradezu lächerlich, wenn man bedenkt, was alleine jeder Tag Afganistan-Einsatz die BRD kostet! Aber GD Biermann meinte dazu, daß man über solche Größenordnungen nicht entscheiden könne. Dem Entwickler-Team war von vorn herein klar, daß es völliger Blödsinn ist, wahnsinnig viel Geld für F&E auszugeben, wenn es anschließend keine Möglichkeiten einer effektiven Massenproduktion gibt. Man konnte vielleicht ein oder zweimal das COCOM-Embargo überlisten, aber das funktioniert nicht für die Hunderte von Komponenten, die für Großserienproduktions-Einrichtungen (TSA) gebraucht wurden.
Das Wissen der Menschheit gehört allen Menschen! - Wissen ist Macht, wer glaubt, der weis nichts! - Unwissenheit schützt vor Strafe nicht ! - Gegen die Ausgrenzung von Unwissenden und für ein liberalisiertes Urheberrecht! PS Dieser Beitrag wurde am 10.09.2008 um 09:59 Uhr von P.S. editiert. |