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Robotrontechnik-Forum » Mechanische Bürotechnik » Rheinmetall, Supermetall, Soemtron - Rechenmaschinen aus Sömmerda » Themenansicht

Autor Thread - Seiten: -1-
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01.10.2024, 08:50 Uhr
AE
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Vom Weg zum Schrottplatz zum Ausstellungsstück -
Instandsetzung einer Rheinmetall-Rechenmaschine vom Typ EDWL
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Im Januar 2022 trudelte nach dem Motto "zu schade für den Schrott" eine alte mechanische Rechenmaschine zum Kilopreis ein. Auf dieser war, wie bei Rheinmetall bis in die 1950er Jahre üblich, keine Typ-Bezeichnung zu finden, doch wurde sie in Prospekten als Halbautomat EDWL (hier in Ausführung II) beworben. Nach meinem derzeitigen Kenntnisstand handelte es sich also um ein Exemplar des ersten Rheinmetall-Modells mit motorisch angetriebener, automatischer Division. Es trägt die Seriennummern 24440 (Oberteil), 22405 (Unterteil) und 90035 (Resultatswerk-Lineal), also hergestellt ca. 1936 nach Anthes/Reese [HBW Nr. 111, April 2018, S. 19].
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"Bereits" im Frühjahr 22 unterzog ich sie einer ersten Inspektion. Wie auf den zweiten Blick ersichtlich, besteht sie aus zwei Hauptgruppen: Oben befindet sich eine um die Tasten sowie zugehörigen Gestänge und Getriebe für die motorische Schlittenbewegung sowie das Löschen des Resultats- und Umdrehungszählwerks ergänzte Maschine eines D-Modells, darunter ist in einer Leichtmetall-Gußwanne die Baugruppe für den Elektroantrieb montiert. Diese Baukasten-Methode beschreibt Martin Reese ausführlich in "Rechenmaschinen nach dem Sandwich-Prinzip". [HBW Nr. 111, April 2018, S. 11ff]
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Aus der Rechenmaschine ragte eine mit Baumwolle umsponnene Netzanschluß-Leitung mit einem zweipoligen Preßstoff-Stecker (!) heraus und das war nach VDE auch schon zur Herstellungszeit nicht zulässig, sondern ein Schutzkontakt-Anschluß gefordert. Als Elektro-Fachkraft wollte ich deshalb zunächst den Zustand der fast 90 Jahre alten Elektroausrüstung mir anschauen und dann weitersehen. Dazu mußte die EDWL in ihre Hauptgruppen zerlegt werden. Das ging unkompliziert: die vier Schrauben zur Befestigung der großen Hartgummi-Füße hielten auch diese beiden Teile zusammen.
Die elektrische Antriebs-Baugruppe besteht aus einem Universalmotor mit einer Drehzahl von 4500 1/min, dem zur Drehzahlbegrenzung eine Fliehkraft-Bremse nachgeschaltet ist. Daran schließt sich ein Schneckenrad-Getriebe zur Untersetzung der Drehzahl von 14:1 und Heraufsetzen des Drehmomentes an. Es folgt eine Kupplung, die bei Betätigung einer Funktionstaste einrastet, bei Addition oder Subtraktion nach einer Umdrehung und nach abgeschlossener Division, Löschung eines Zählwerkes oder der Schlittenbewegung wieder ausrastet. (Der EIN-Zustand der Kupplung wird mechanisch auf einen Kontakt übertragen, welcher den Motor einschaltet.) Die Motordrehung wird dann mittels eines Kegelrad- und eines Stirnrad-Getriebes auf das Differential-Getriebe im Oberteil weitergeleitet. Das Schneckenrad-Getriebe treibt auf der anderen Seite über eine außen liegende Welle mit Kegelrädern die auf der oberen Rückwand montierten Getriebe für die manuell ausgelöste Schlittenbewegung und das Löschen der Zählwerke an.
Ein auf der Motorachse befestigtes Handrädchen (Es ragt auf der linken Seite, hinten aus der Bodenwanne heraus) ermöglicht ein manuelles Drehen des gesamten Antriebs und so ein Überprüfen bzw. auch Verstehen der Funktion einzelner Teile.
Ich entdeckte, die Netzanschluß-Leitung endete in einer mit Pflaster abgedeckten Lüsterklemme anstelle des originalen Heißgerätesteckers mit Flachkontakten {1}. Auch die restliche Verdrahtung sah nach einer notdürftigen "Bastelreparatur" aus, die zwar die Funktion der Rechenmaschine gewährleistete, doch keinesfalls dem Arbeitsschutz entsprach. Auch der im Maschinen-Inneren völlig frei liegende Motor-Einschalt-Kontakt würde mir Bauchschmerzen bereiten: hereinfallende metallische Kleinteile, wie Büroklammern, Reißzwecken, Haarnadeln oder Unterlegscheiben (Alles schon von mir in Rechenmaschinen vorgefunden) können bei Erschütterungen z.B. zu unvorhergesehenem Einschalten des Motors oder Unter-Spannung-Setzen des Gehäuses führen. Deshalb überprüfte ich zunächst den Isolationswiderstand und Durchgang des Motors und befand die gemessenen Werte als akzeptabel.
Da der Motor sich von Hand leicht drehen ließ, die "programmierte" Spannung auf 220 V~ stand und die eigentliche Rechenmaschine abgetrennt war, entschied ich mich kurzer Hand für einen elektrischen Betrieb sicherheitshalber jedoch über einen Trennstelltrafo. Und siehe, nach dem Auskundschaften der Tasten- und zusätzlichen Hebelfunktionen konnte der jeweils erwartete Ablauf des Elektroantriebs auch beobachtet werden. Also 1. Hürde genommen. (Ob die originale Störschutz-Beschaltung noch ihren Zweck erfüllte ließ ich offen. Zumindest explodierte sie bisher im Betrieb nicht, was aber nicht ungewöhnlich wäre.)
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Nachfolgend beschäftigte ich mich zunächst mit der Tastatur, denn mit einer blockierten geht üblicher Weise nichts. Nach dem mit einer sorgfältigen Reinigung (bei weitgehender Demontage der einzelnen Tastaturspalten) und leichten Ölung (beim Zusammenbau) die Leichtgängigkeit und ordnungsgemäße Funktion wieder hergestellt war, folgte als nächstes der Resultatswerk-Schlitten.
Hier hatte bei der wahrscheinlich jahrzehntelangen Lagerung der Rost schon hinreichend zugeschlagen. Rostlöser, Kriechöl und vielmaliges Bewegen schufen einen zunächst befriedigenden Zustand.
Dergleichen wiederholte ich mit dem auf der oberen Rückwand befestigten Getriebe für den manuell ausgelösten, motorischen Schlitten-Transport sowie den Antrieb der Lösch-Zahnstangen. Welch Glück, daß man, wenn die Elektroantriebs-Baugruppe abgetrennt ist, die einzelnen Bewegungen mittels eines Handrädchens (anstelle der Kurbel bei mit der Hand angetriebenen Modellen) in "Zeitlupe" ausführen und beliebig oft wiederholen kann. So ist es auch möglich, die Funktionsweise zu ergründen.
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Ohne entsprechende Anleitung war das Zusammenfügen der beiden Hauptbaugruppen ein langwieriges Geschäft mit vielem Probieren: Denn es müssen zwei Zahnrad-Paarungen eingepaßt werden, die eingerastete Subtraktions- bzw. Divisions-Funktion sowie der Divisions-Abbruch ins Oberteil übertragen werden und von dort das Divisons-Ende gemeldet werden. Vor allem ist der "Haken" (auf der rechten Seite, vorn) im Wege, der das Betätigen der im Oberteil angebrachten Funktionstasten auf die Antriebsbaugruppe überträgt und so den Motor in Bewegung setzt. Der zugehörige, mit einer Mutter befestigte Hebel ist beim Zusammenbau zu entfernen und danach wieder zu befestigen. Ansonsten sollte sich die Rechenmaschine durch Drehen der Handrädchen im Grundzustand befinden (rastet dabei merklich ein). Schlußendlich gelang es jedoch. Übung macht den Meister!
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Nun galt es "nur noch", die gesamte Rechenmaschine auch elektrisch zu betreiben, natürlich wieder über einen Trennstelltrafo. Addition, Subtraktion und sogar die Pi-Division klappten!
Dann erst einmal weggestellt, denn ich fand niemand, der bereit war, das lautstarke Spektakel der automatischen Division mit passender Erläuterung mal zu filmen.
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An dieser Stelle für alle, die mit dem Einsatz mechanischer Rechenmaschinen nicht vertraut sind, die Vorbereitung einer automatischen Division (hier für eine Rheinmetall EDWL) frei nach Mike Krüger:
"Sie müssen erst den Nippel durch die Lasche zieh'n
und mit der Kurbel ganz nach oben dreh'n,
erscheint ein kleiner Pfeil, dann drücken Sie darauf
und schon geht die" ganze Schose los ...

Da eine mechanische Rechenmaschine weder über einen 'reset'-Knopf, noch über eine Taste verfügt, die sie in eine Grundstellung versetzt, hat der Anwender dies selber auszuführen. Was, wenn sie durch unsachgemäße Bedienung bzw. "Probieren" blockiert ist, durchaus einige Stunden dauern kann. Also nicht eingewiesene Personen möglichst nicht spielen lassen! Ist die Rechenmaschine in Grundstellung, dann sind für die Vorbereitung einer Division auszuführen: Als erstes ist das Resultatswerk (RW) zu löschen und der Schlitten soweit nach links zu verschieben bis das Umdrehungs-Zählwerk (UW) auf der höchsten Stelle eingekuppelt ist. Dann ist der Dividend linksbündig über der höchsten Stelle des Eingabewerkes in das RW einzugeben, wenn möglich mittels Wirteln (den kleinen Knöpfchen oberhalb der Sichtfenster im Resultatswerk), sonst über eine Addition. Danach ist das UW zu löschen. Nun ist der Divisor linksbündig einzutasten (Wenn die höchste Stelle des Divisors größer ist als die des Dividenden, eine Stelle weiter rechts beginnend, sonst geht eine Stelle im UW durch eine führende Null "verloren").
Nach dem Start mittels Divisions-Taste läuft der Rechenvorgang jetzt selbsttätig ab. (Die Funktionsweise des Divisionsgetriebes ist beschrieben im Rechnerlexikon unter dem Stichwort "Rheinmetall Technik".) Sie kann aber jederzeit manuell mit dem Hebel außen an der linken, vorderen Ecke abgebrochen werden. Die Ziffernfolge des Ergebnisses ist zum Schluß am UW abzulesen, wobei die Komma-Position bei gebrochenen Zahlen natürlich durch Kopfrechnen selbst festzulegen ist.
Der Nutzer sollte also die Division vollständig überblicken und den dafür erforderlichen Betätigungs-Algorithmus im Kopf parat haben, oder irgendwo ablesen können, denn der Bedienfehler lauern viele und folglich ein nicht korrektes Rechenergebnis!
Nun zeigen und erklären Sie das mal einem heutigen, vom Taschenrechner oder besser 'smartphon' verwöhnten Oberstufen-Schüler ... (Wofür noch Kopfrechnen lernen? Das Ergebnis sagt mir doch Amanda an!)
Vielleicht können Sie jetzt auch verstehen, warum der weiter entwickelte "Nachfolger" mit Divisions-Voreinstellungs-Taste und Multiplikation als Superautomat beworben wurde ...
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Nach dem ich die EDWL II mehrfach Besuchern in Funktion vorführte, begann ich im Hochsommer 2024, der Bedienoberfläche wieder ein ansprechendes Äußeres zu spendieren. Ich denke, das war angemessen, denn der fast 90 Jahre alte Lack blätterte teilweise flächig ab. Mit den nur abdeckenden Gehäuseteilen begann ich. Hier waren schon größere Stellen ohne schützende Farbe und dafür mit Rost. Also ausbauen und ...
(Eine Fortsetzung muß noch verfaßt werden. Hier zunächst nur ein Foto vom inzwischen erreichten Stand.)
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--- Anmerkung
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{1} Zur Produktionszeit der Rechenmaschine existierten nicht nur weltweit, sondern auch in Deutschland recht unterschiedliche Energieversorgungs-Systeme. Dabei variierte nicht nur die Spannungshöhe (z.B. 110 V/220 V), auch die Spannungsart (Gleich-/Wechselspannung) und bei Wechselspannung die Frequenz. Deshalb setzte man Universalmotoren ein, verwendete einen nicht allgemein gebräuchlichen Gerätestecker und überließ dem Händler bzw. der Büromaschinen-Spezialwerkstatt die Komplettierung der Netzanschluß-Leitung und das Einstellen des Motors auf die Versorgungsspannung mittels Steckbrücken.
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Dieser Beitrag wurde am 03.10.2024 um 12:15 Uhr von AE editiert.
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001
01.10.2024, 09:00 Uhr
AE
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Vielleicht sagt mir mal jemand, was an der Formatierung für den Quellen-Aufruf falsch geschrieben ist?
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002
01.10.2024, 09:16 Uhr
Rüdiger
Administrator
Avatar von Rüdiger


Zitat:
AE schrieb
Vom Weg zum Schrottplatz zum Ausstellungsstück -
Instandsetzung einer Rheinmetall-Rechenmaschine vom Typ EDWL



Danke für den Artikel.


Zitat:
Vielleicht sagt mir mal jemand, was an der Formatierung für den Quellen-Aufruf falsch geschrieben ist?



url=" statt url"

--
Kernel panic: Out of swap space.
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003
01.10.2024, 10:07 Uhr
Rolli



[url"https://rechnerlexikon.de/artikel/Reese_2018/2"][HBW Nr. 111, April 2018, S. 11ff][/url]
in
https://rechnerlexikon.de/artikel/Reese_2018/2
verändern, dann funktioniert es.

Übrigens Danke für den ausführlichen Bericht!
Wir haben im Schaudepot Sömmerda auch mehrere solcher Patienten und haben uns bisher noch nicht dran gewagt.
--
Wer Phantasie hat, ist noch lange kein Phantast

Dieser Beitrag wurde am 01.10.2024 um 10:16 Uhr von Rolli editiert.
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004
01.10.2024, 11:25 Uhr
AE
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Danke für die Hinweise, Korrektur durchgeführt
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005
01.10.2024, 21:33 Uhr
candle.dd

Avatar von candle.dd

In der Tat, ein sehr informativer und auch spannender Beitrag, Dank dafür.
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