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17.03.2022, 12:21 Uhr
Bert
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Buebchen hat mir dankenswerterweise eine Platine seines SMD-Verstärkers zukommen lassen. Diese habe ich inzwischen aufgebaut und vermessen. Außerdem habe ich die Schaltung simuliert, um bestimmte Eigenschaften besser verstehen zu können.
Hier möchte ich die Ergebnisse vorstellen. Soviel vornweg: Er hat da eine interessante Schaltung ausgegraben...
Ursprung Der originale Schaltplan kommt, wie schon geschrieben, aus dem Funkamateur 5/1997 S. 555 "Magnetische Empfangsantenne für 4,5 bis 18 MHz" von Herrmann Schreiber. Ein weitere Variante findet sich im Funkamateur 11/1998 S. 1297 im Artikel "Preselektor mit Magnet- und Wurfantenne" von Ralf Riebel. Dort soll damit ein Frequenzbereich von Mittelwelle (500 kHz) bis zum 10m-Band (30 MHz) abgedeckt werden. Alle drei Schaltungen weichen in kleinen Details von einander ab, die z.T. erhebliche Auswirkungen haben.
Schaltplan
Die Schaltung selbst besteht aus einer hochohmigen FET-Differenzeingangsstufe, die mit relativ exotischen Dual-Gate-FETs arbeitet. Diese FETs kannte ich bis dato nicht. Das zweite Gate wird oft für die Arbeitspunkteinstellung oder zur Mischung (nicht hier) nutzt. Ein HF-Bipolartransistor stabilisiert die Sourceströme der Eingangsstufe. Das Signal wird auf einem Zweig ausgekoppelt und ein Emitterfolger dient als Ausgangstreiber.
Aufbau Zum Aufbau benötigt man ein ruhige Hand, eine Pinzette, eine gute Lupe und etwas Frustrationstoleranz. Z.B. werden die SMD-Bauformen 1206 und 0805 wild gemischt, was ärgerlich ist, wenn man die nicht alle vorrätig hat. Auf Nachfrage erfährt man außerdem, das gelegentlich 10 nF-Kondensatoren statt 100 nF zum Einsatz kommen, ohne das das irgendwo kenntlich gemacht wurde.
Für eine nachbaufreundliche Schaltung fehlt mir außerdem eine Stückliste (BOM) mit lesbaren Bauteilwerten und den verwendeten Footprints. Auch ein übersichtliches Schema mit allen externen Anschlüssen wäre sehr hilfreich, um Fehlbedienung zu vermeiden:
Inbetriebnahme Der erste Test ("der Rauchtest") ergab eine Stromaufnahme von 17 mA (bei 12 V), was eine Leistungsaufnahme von 200 mW ergibt. Dieser Wert deckt sich sehr gut mit der Simulation (16 mA). Danach erfolgte ein Test mit Signalgenerator (2-kanalig, gegenphasige Signale) und Oszilloskop.
Wie man sieht, wird bei einem Frequenzsweep nur die Hüllkurve dargestellt. Die Ausgangsspannung ist z.T. kleiner, als die Eingangsspannung. Im Bereich um 50 MHz scheint es Resonanzen zu geben, was dem 'Klingeldraht' der Zuführung geschuldet sein kann. Der Frequenzgang hört bei 100 MHz noch nicht auf, aber der Signalgenerator kann nicht höher.
Netzwerkanalysator Die Messung wurde mit einem vektoriellen Netzwerkanalysator (VNA) wiederholt. Früher hätte man dafür den Wobbler oder einen HF-Generator und ein selektives Millivoltmeter genommen.
Im Wesentlichen arbeitet das Gerät so, das auf einem Anschluß (Port) ein Signal ausgegeben wird und auf allen Ports gelauscht wird, wieviel von dem Signal dort ankommt. Dank Richtkopplern funktioniert das auch auf dem Ausgabeport. Die Verhältnisse der hin- und rücklaufenden Wellen ergeben dann die S-Parameter (Streuparameter). Diese Messung erfolgt Punkt-für-Punkt über einen einstellbaren Frequenzbereich mit einer einstellbaren Leistung. Da hier ein Verstärker mit differentiellem Eingang vermessen wird, ergeben sich da eine ganze Menge Messwerte:
Wir schauen uns die Wichtigsten an.
Frequenzgang Kurzer Rücksprung zur Simulation. Die Schaltung wurde für eine Ferritantenne zum Empfang von DCF77 empfohlen. Mit der Dimensionierungen von Buebchen ergibt sich lt. Simulation eine untere Grenzfrequenz (f_U) von ca. 1,5 MHz. Die Originalschaltungen nutzen zum Auskoppeln 10 nF. Damit geht f_U auf ca. 200 kHz runter. Wenn man den Kondensator noch weiter vergrößert, z.B. auf 90 nF liegt die untere Grenzfrequenz bei ca. 20 kHz:
Ich habe die Schaltung deswegen mit zusätzlichen Kondensatoren (1 nF + 8,2 nF + 82 nF) ergänzt. Hier das Ergebnis:
Die obere Grenzfrequenz liegt mit fast 170 MHz deutlich höher als in der Simulation. Auch die generelle Verstärkung ist der Realität höher. Offensichtlich sind die HF-Transistoren in der Realität weit besser als ihre Modelle.
Aussteuerbarkeit Diese Messung erfolgte bei einer festen Frequenz (90 MHz) und der Pegel des Eingangssignales wurde von -85 dBm bis 5 dBm variiert. Der 1 dB-Kompressionspunkt liegt bei ca. 3 dBm:
Eingangsimpedanz Durch Rückrechnen der S-Parameter läßt sich auch die Eingangsimpedanz über der Frequenz ermitteln. Je weiter sich dieser Wert von der Systemimpedanz (50 Ohm) entfernt, desto ungenauer wird die Messung. Der Wert für 100 kHz ist m.E. noch plausibel, aber die Werte für tiefere Frequenzen liegen an der Grenze des Messgerätes.
Rauschzahl Die Rauschzahl (=wieviel Rauschen bringt der Verstärker zusätzlich) wollte ich mit einer Rauschquelle ermitteln. Dafür hätte ich den Verstärker in eine geschirmte Kiste einbauen müssen, da hier jedes Störsignal - auch auf den Leitungen) die Messung verfälscht.
Gleichtaktunterdrückung Bei dieser Messung wird dem Verstärker auf beiden Eingängen das gleiche Signal zugeführt und geschaut, wieviel davon am Ausgang rauskommt. Idealerweise sollte bei einem Differenzverstärker nichts rauskommen. Durch Asymmetrien im Aufbau und Bauteiltoleranzen sieht man aber doch was. Auch dieser Wert ändert sich mit der Frequenz und nimmt zu höheren Frequenzen hin zu. Bis 800 kHz beträgt die Gleichtaktunterdrückung 50 dB, was für eine diskrete Schaltung m.E. recht beachtlich ist:
Antennensignal Mit einem Spektrumanalysator wurde nun geschaut, was sich real empfangen läßt. Als Antenne habe ich eine Ferritstabantenne die mit einem Kondensator auf 77,5 kHz abgestimmt wurde, verwendet (hier noch ohne C):
Die Messung:
Wie man sieht, ist da jede Menge los. Die höchsten Pegel sind im UKW-Band zu sehen, aber auch die 10 MHz breiten Signale vom Digitalradio sind zu erkennen. Leider habe ich es versäumt ein Vergleichsbild ohne Verstärker zu machen, aber die Signale sind dann gefühlt ca. 20 dB kleiner, wobei die Antenne ja nicht für 50 Ohm gemacht ist.
Nun ging es ja auch um DCF77 und da muß man schon etwas suchen:
Mit dem modifizierten Verstärker (90 nF Ausgangs-C) ist das Signal bei ausreichend kleiner Erfassungsbandbreite gut zu erkennen. Der Signalpegel mit Verstärker liegt hier, ca. 500 km vom Sender entfernt, bei -80 dBm. Wenn die Antenne direkt an den 50 Ohm Eingang des Spektrumanalysators angeschlossen wird, bekomme ich nur einen Pegel von -110 dBm.
Fazit Der Verstärker ist sehr (sehr) breitbandig, besitzt eine hohe Aussteuerbarkeit (=Großsignalfestigkeit) und eine hohe Gleichtaktunterdrückung. Um eine symmetrische Antenne ein paar Meter abgesetzt vom Empfänger zu betreiben, eine prima Sache. Der Verstärker gehört direkt an die Antenne und das Koaxialkabel muß ggf. am Empfängereingang mit 50 Ohm terminiert werden (bei hochohmigen Empfängern), um Reflexionen und Schwingneigung zu vermeiden.
Für die DCF-Ferritantenne ist die hohe Bandbreite eher von Nachteil, weil auch z.B. die UKW-Signale mit hohem Pegel bis an den Empfänger kommen. Für die üblichen Ferritantennen wird auch nicht unbedingt ein symmetrischer Verstärker benötigt.
Prinzipbedingt liegt das Rauschen um 3 dB höher, da nur einem Zweig der Differenzstufe das Signal entnommen wird. Bei Frequenzen bis vielleicht 10 MHz ist das kein Problem, da dürfte das atmosphärische Rauschen dominieren. Im UKW-Bereich (100 MHz) werden Verstärker üblicherweise so gebaut, das minimales Rauschen auftritt (Rauschanpassung).
Die untere Grenzfrequenz läßt sich durch den Auskoppelkondensator einstellen. Durch Einsatz eines BC850 (low noise-Variante vom BC847) sollte sich auch die obere Grenzfrequenz reduzieren lassen.
Viele Grüße, Bert |