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01.12.2018, 13:57 Uhr
Bert
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Zitat: | holm schrieb Du kennst Dich also mit der Dämpfung von 78xx im Megaherzgebiet aus?
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Du etwa? Die Datenblätter, die ich bisher gefunden habe, geben maximal PSRR-Frequenzgänge bis 10 kHz an (z.B. hier [1], Seite 19). Nachgemessen habe ich noch nicht, aber ich frage mich, wo die MHz-Störungen am Eingang von dem 78xx herkommen sollen...
Zitat: | holm schrieb Simuliert Dein Diodenmodell Freiwerdzeiten und Änderungen der Sperrschichtkapazitäten mit der Spannung?
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Das hat mich auch interresiert. Die Freiwerdzeiten werden mitsimuliert:
Zitat: | holm schrieb Werde Dir klar darüber das Spice zwar eine feine Sache ist (wenn man damit umgehen kann) aber die Realität zu 90% trotzdem anders aussieht weil die Bauteilemodelle einfach nicht der Realität entsprechen.
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Wem sagst Du das. Deswegen habe ich mal eine Messung gemacht:
Als erstes haben mich die Kennlinien der Einzeldioden interessiert. Vermessen wurde Selen, Silizium und Schottky. Messbereich war von -10 V bis 1 V mit einer Strombegrenzung von 1 mA:
Bei -10 V (Sperrrichtung) fließen bei Selen 180 µA. Bei Schottky fließen dort 200 nA und bei Silizium nur noch 18 nA. (Der Kennlinineschreiber ist aus der B2900A-Serie.) In Flußrichtung wird bei 1 mA Strom eine Spannung von 0,25 V bei Selen, 0,4 V bei Schottky und 0,6 V bei Silizium erreicht. Alle Messungen wurden nur bei Raumtemperatur gemacht.
Doch nun zur eigentlichen Sache: Ich habe mit einem kleinen Trafo, einer Graetzbrücke, einem Siebelko (100 uF) und einer Last (100 Ohm) eine Testschaltung fliegend verdrahtet. Gemessen wurde jeweils über der Last mit dem Oszilloskop. Beim Einschalten sieht das ungefähr so aus, als im Mittel ca. 15 V. Damit fließen ca. 150 mA:
Als Graetzbrücke kamen eine Selengleichrichterbrücke (B25C300), eine 'moderne' Gleichrichterbrücke (SKB2/02) und eine Brücke aus vier Einzeildioden 1N4148 zum Einsatz. Hier das (unvollständige) Testfeld (noch aus der Kennlinenmessung):
(links 1N4148, rechts B25C300)
Zusätzlich wurden testweise über die Brückendioden 68 nF gelötet:
(1N4148 Brücke mit zusätzlichen 68 nF-Kondensatoren)
Es gab also sechs verschiedene Messungen (dreimal ohne Cs und dreimal mit Cs). Zusätzlich noch eine Nullmessung. Dargestellt habe ich immer 1 Sekunde Messzeit und eine FFT von 10 Hz (oder 50 Hz) bis 1 MHz.
Hier die FFT der Nullmessung:
(Messung mit kurzgeschossenem Tastkopf, Samplerate 2,5 MS/s)
Als erste habe ich den (langsamen) Brückengleichrichter einmal ohne die Cs und einmal mit den Cs gemessen:
(oben Gleichrichterbrücke (SKB2/02) mit Cs, unten Gleichrichterbrücke (SKB2/02) ohne Cs)
Ich sehe da hauptsächlich 100 Hz und Vielfache davon, die bis ca. 5 kHz im Rauschen verschwunden sind. Wenn ich das richtig sehe fallen die Störer mit 40 dB/Dekade. Die Linien bei 25 kHz und unterhalb von 1 MHz sind auch in der Nullmessung vorhanden, also Artefakte, die das Oszi erfindet.
Einen Einfluß der zusätzlichen Kondensatoren über den Dioden kann ich nicht erkennen.
Hier mal zum Vergleich die FFT aus der Simulation:
Als nächsten die schnellen 1N4148-Dioden ohne die kleinen Kondensatoren:
(oben 1N4148-Brücke ohne Cs, unten Gleichrichterbrücke (SKB2/02) ohne Cs)
Auch hier kann ich keinen ernsthaften Unterschied erkennen. Zitat aus [2]:
Zitat: | Im Spannungsverlauf einer Brückengleichrichter-Schaltung mit einfachen Dioden kann es zu steilflankigen Spannungsspitzen kommen. Diese Spannungsspitzen sind besonders bei langsamen Dioden zu beobachten (Messung mit Oszilloskop).
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Ich kann die Spannungsspitzen nirgends entdecken, weder bei den langsamen Dioden, noch bei den schnellen 1N4148.
Jetzt noch der Vergleich mit der Selenbrücke:
(oben Selenbrücke (B25C300) ohne Cs, unten Gleichrichterbrücke (SKB2/02) ohne Cs)
Dort sehe ich eine deutliche 50 Hz-Komponente und deren Vielfache, die aber auch spätestens bei 5 kHz im Rauschen verschwinden. Sollten hier die zusätzlichen Kondensatoren etwas bringen?!?
(oben Selenbrücke mit C, unten Selenbrücke ohne C)
Tatsächlich, die 50 Hz-Komponenten gehen um 2 dB runter.
Jetzt frage ich mich, warum überhaupt die 50 Hz durchkommen. Liegt es an den höheren Sperrströmen oder an Asymmetrien in der Brücke?
Zitat: | holm schrieb Es schadet Dir nicht wenn Du einfach mal den alten Hasen hier was glaubst, aber selbst das mußt Du nicht. Du mußt Dich dann nur nicht wundern wenn Du die Erfahrungen dann selber machst.
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Glaube gehört in die Kirche. Ich messe und simuliere da lieber, um zu verstehen was passiert.
Zusammenfassung:
- Eine Brückenschaltung erzeugt hauptsächlich 100 Hz und Vielfache davon, die bis spätestens 10 kHz im Rauschen verschwinden. Wenn der Siebelko größer wird, hat die Ausgangsspannung weniger Ripple. Auch wenn die Dioden den Strom kürzer fließen lassen, ergibt das keine zusätzlichen höherfrequenten Anteile.
- Es ist bei 50 Hz egal, ob langsame oder schnelle Dioden verwendet werden. Wenn eine 1N4001 eine reverse recovery time von 2 µs hat [3], entspricht das einem 1/10000 der Netzperiodendauer. Das hat an dieser Stelle keinen Einfluß.
- Für die in [2] erzeugten Spannungspitzen würde ich gern die konrete Schaltung sehen (mit konkteten Bauelementen). Außerdem werden dort ominöse Schwingkreise erwähnt, ohne Angabe von Induktivität, Kapazität und Schwingfrequenz. So wie es momentan (12/2018) im Abschnitt "Brückengleichrichter mit Kondensatoren" steht, ist das für mich eine unbelegte Behauptung, die ich nicht nachvollziehen kann.
- Was hier nicht betrachtet wurde, sind Störungen die vom Netz kommen oder in der Schaltung z.B. durch Schaltnetzteile generiert werden. Für leitungsgebundene Störungen gibt es Netzfilter und für den Rest sind die Kondensatoren an den Dioden auch nicht die richtige Filtermaßnahme.
- Meine Selenbrücke erzeugt zusätzlich noch 50 Hz mit Oberwellen, die sich aber nicht grundsätzlich anders als die 100 Hz-Komponenten verhalten.
Fazit: Aus welchem Grund auch immer die zusätzlichen Kondensatoren eingebaut wurden, ich kann einen Effekt weder mit einer Simulation noch mit einer Messung nachweisen. Wenn mir jemand sagt, was in die Simulation oder in die Messung noch rein muß, um einen Effekt nachweisen zu können, dann her damit.
Grüße, Bert
[1] https://media.digikey.com/pdf/Data%20Sheets/ON%20Semiconductor%20PDFs/MC7800(A,AE),NCV7800.pdf [2] https://www.elektronik-kompendium.de/sites/slt/1807181.htm [3] http://www.mccsemi.com/up_pdf/1N4001-1N4007(DO-41).pdf
P.S.: Bildbeschreibungen ergänzt Dieser Beitrag wurde am 01.12.2018 um 14:13 Uhr von Bert editiert. |